Schiffsversicherung:In der Hochrisikozone

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In manchen Gefahrengebieten gibt es Schiffsversicherung­en nur gegen Aufschläge. Zahlreiche Anbieter haben sich zurückgezogen.

Von Patrick Hagen

Die Straße von Hormus ist in den vergangenen Monaten zur Hochrisikozone geworden. Die Route ist einer der wichtigsten Schifffahrtswege der Welt: Tanker, die Öl von den Häfen in Kuwait, Katar, Bahrain, dem Irak, Iran, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien transportieren, müssen diesen Seeweg passieren, der an der engsten Stelle weniger als 40 Kilometer breit ist. Die Versicherungsprämien, die Reeder pro Durchfahrt durch die Meerenge zahlen mussten, stiegen bis Ende Juni auf mehr als 500 000 Dollar.

Kriegsrisiken wie Angriffe auf Tanker mit Sprengkörpern, sind in den normalen Versicherungsverträgen der Reeder ausgeschlossen. Sie schließen dafür eine spezielle Kriegsversicherung ab. Für Hochrisikogebiete sehen jedoch auch diese Verträge Ausschlüsse vor. Die Schiffseigner müssen ihre Versicherer informieren, bevor sie in eine solche Zone fahren, gegen einen Aufschlag gibt dieser dann weiteren Versicherungsschutz. Seit Ende Mai gehört auch die Straße von Hormus zu den Gefahrengebieten, die regelmäßig vom Joint War Committee (JWC) in London festgelegt werden. Neil Roberts vom JWC betont, dass die Zuschläge zwar hoch sind, die Grundprämie für Kriegspolicen dafür relativ niedrig sei. Außerdem bekommen die Reeder in vielen Fällen bis zu 50 Prozent der Prämie zurück, wenn es zu keinen Schäden kommt, sagt Roberts.

Das Komitee hatte diese Entscheidung nach einer Reihe von Angriffen auf Schiffe getroffen. Im Mai meldeten vier Tanker, sie seien bei der Durchfahrt beschossen wurden. Im Juni sorgten zwei weitere Fälle für Schlagzeilen. Die Tanker Kokuka Courageous der japanischen Firma Kokuka Sangyo und die Front Altair der norwegischen Reederei Frontline wurden vermutlich mit Sprengkörpern angegriffen. Mehrere Länder machen Iran für die Attacken verantwortlich. Iran weist das zurück. Ende Juli stürmten iranische Revolutionsgarden einen unter britischer Flagge fahrenden Tanker der schwedischen Reederei Stena. Die hohen Preise für Kriegsdeckungen können leicht über die tatsächliche Lage der Schiffsversicherung hinwegtäuschen. Tatsächlich bereitet die Sparte den Versicherern seit mehreren Jahrzehnten kaum Freude. Vor allem die Versicherung der Schiffe selbst, die Seekasko, hat in den vergangenen zehn Jahren fast ununterbrochen rote Zahlen produziert. In der Vergangenheit konnten die Unternehmen die schlechten Ergebnisse mit ihren Kapitalanlagen ausgleichen, nach mehreren Jahren Niedrigzinsen geht auch das nicht mehr.

Die Schifffahrt wird immer sicherer, aber gleichzeitig steigt das Risiko für Großschäden

Am Londoner Versicherungsmarkt Lloyd's - einem der wichtigsten Anbieter für Schiffsversicherungen - haben sich zahlreiche Anbieter aus der Sparte zurückgezogen, nachdem die Verluste zu hoch wurden. Dadurch hat sich die auf dem Markt verfügbare Kapazität um mehrere Hundert Millionen Dollar verringert. Das hat die Lage für die übrigen Anbieter etwas verbessert, sagt Volker Dierks vom Allianz-Spezialversicherer Allianz Global Corporate & Specialty, einem der großen Schiffsversicherer. "Es hat dazu geführt, dass speziell bei Reedereien mit schlechten Schadenquoten in den vergangenen zwölf Monaten Prämienerhöhungen durchsetzbar waren." Zur Kapazitätsverknappung hat auch beigetragen, dass sich mit Axa und XL zwei große Anbieter von Transportversicherungen zusammengeschlossen haben. Daneben hat der Rückversicherer Swiss Re angekündigt, den Bestand an Transportversicherungen in den Büchern der Erstversicherungstochter Swiss Re Corporate Solutions deutlich zu reduzieren. All das hilft den Anbietern dabei, die Preise für die Deckungen anzuheben.

Zwar wird die Schifffahrt immer sicherer und die Zahl der Totalverluste geht seit Jahren zurück. Aber gleichzeitig steigt das Risiko für Großschäden. Containerschiffe werden immer größer: Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Transportkapazität der Frachter fast verdoppelt. An Bord eines modernen Containerriesen finden mittlerweile mehr als 20 000 Stahlboxen Platz. Kommt es zu einem Totalverlust eines solchen Riesenschiffs und seiner Ladung, kann ein Schaden von mehr als 3,5 Mrd. Euro entstehen, hat der Versicherer Allianz ausgerechnet.

Während 2018 noch ein vergleichsweise schadenarmes Jahr war, hat sich das bereits im ersten Quartal 2019 geändert. Dazu kommen auf die Branche zahlreiche neue Risiken zu wie etwa Hacker-Angriffe bei autonom fahrenden Schiffen. Zusätzliche Schäden befürchten Versicherer auch durch die Einführung strengerer Grenzwerte für Schwefelemissionen. Im Zuge einer Umrüstung könne es zu mehr Maschinenschäden kommen.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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