Schienentechnik:Berlin droht Bombardier

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Zwischen der Bundesregierung und dem Schienentechnik-Konzern Bombardier bahnt sich ein offener Konflikt an.

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Zwischen der Bundesregierung und dem Schienentechnik-Konzern Bombardier bahnt sich ein offener Konflikt an. Das Unternehmen will Ende 2005 seine Fabrik in Halle-Ammendorf (Sachsen-Anhalt) stilllegen. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie das Werk geschlossen wird", sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clemente (SPD).

Die Regierung wolle Kontakt zu Bombardier aufnehmen und sich zudem mit der Ammendorfer Geschäftsführung in Verbindung setzen. An dem Standort sind derzeit noch rund 650 Mitarbeiter beschäftigt. Clements angekündigtes Engagement dürfte wohl vergeblich sein. "Wir haben keine andere Wahl, als uns in Ammendorf zurückzuziehen", sagte der stellvertretende Vorstandschef von Bombardier Transportation, Wolfgang Tölsner, der Süddeutschen Zeitung.

Der Konzern müsse sich rasch den Marktverhältnissen anpassen, betonte Tölsner: "Diese Entscheidung kann uns kein Politiker abnehmen." Der Manager räumte ein, dass sein Unternehmen im Jahr2001 erhebliche Überkapazitäten vorgefunden habe.

Damals hatte der kanadische Mischkonzern von DaimlerChrysler die Schienenverkehrs-Tochter Adtranz gekauft und stieg zum weltgrößten Bahntechnik-Konzern auf. Zunächst habe man die unterschiedlichen Unternehmen, zu denen auch noch die ostdeutsche DWA gezählt hat, integriert. "Das hat einige Kräfte gebunden."

"Der Abbau der Überkapazitäten war eine Herausforderung, die wir zu zögerlich und nicht schnell genug angegangen sind", sagte Tölsner. So seien die 35 Fabriken in Europa derzeit nur zu 55 Prozent ausgelastet. In den sieben Werken, die bis Ende nächsten Jahres stillgelegt werden sollen, liege die Auslastungsquote sogar nur bei 44 Prozent.

Dies gelte auch für Ammendorf. Bombardier will europaweit 6600 Mitarbeiter streichen und damit nahezu jede fünfte Stelle kappen. Während Ammendorf vollständig dicht machen soll, werden weitere Jobs an den deutschen Standorten Hennigsdorf bei Berlin (rund 150), in Görlitz (240) und in Bautzen (60) gestrichen. Allerdings sollen rund 100 Mitarbeiter ein Stellenangebot in anderen inländischen Bombardier-Fabriken erhalten.

Zudem werden im Gesamtkonzern die Abläufe gestrafft, die Fahrzeuge sollen standardisiert werden. Bombardier baut unter anderem Elektrolokomotiven, Hochgeschwindigkeitszüge, Regionalbahnen, Doppelstockwagen sowie Straßenbahnen.

Lehrlinge zu Ende ausbilden

Unterdessen hat die Belegschaft in Ammendorf gegen die Schließungsabsichten protestiert. Das Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt will von Bombardier bei einem Aus der Fabrik Fördergelder in Höhe von 13 Millionen Euro zurückfordern.

Das Unternehmen veranschlagt aber offenbar lediglich acht Millionen Euro. Tölsner betonte, dass in dem Werk sämtliche vorhandenen Aufträge abgearbeitet werden sollen. Daher würden erst Ende 2005 die Tore zugesperrt.

Zudem sollen sämtliche Lehrlinge vollständig ausgebildet werden. "Wir ziehen uns geordnet zurück", sagte der Transportation-Vizechef, der von Berlin aus mit Vorstandschef André Navarri den Bahntechnik-Konzern steuert.

Tölsner schloss kategorisch aus, dass der Standort Ammendorf wie vor zwei Jahren doch noch gerettet werden könnte. Damals hatte Bombardier auch auf Druck von Bundeskanzler Schröder auf das Aus verzichtet.

Der geplante Umbau von Ammendorf in ein Service-Werk sei dann allerdings fehlgeschlagen: "Die Aufträge vor allem von der Deutschen Bahn sind leider ausgeblieben."

© SZ vom 19.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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