Schienennetz:Die Bahn soll endlich besser werden

Lesezeit: 2 min

Bund und Konzern wollen mehr Geld in das marode Netz stecken als erwartet.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Gut 86 Milliarden Euro sollen in den Zwanzigerjahren investiert werden, um das deutsche Bahnnetz zu sanieren. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Dass er eine Scheu vor großen Worten hätte, wird Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eher nicht nachgesagt. Auch am Freitag griff er zum Superlativ: "Wir haben mit der Deutschen Bahn das größte Modernisierungsprogramm für die Schiene vereinbart, das es je in Deutschland gab", verkündete Scheuer in Berlin. Und in der Tat haben sich der Bund und die Deutsche Bahn nach langen Verhandlungen auf ein milliardenschweres Paket für die Instandhaltung des Schienennetzes geeinigt, das die Vorgängerpakete in den Schatten stellt.

In den nächsten zehn Jahren sollen 86,2 Milliarden Euro in Erhalt und Modernisierung des 33 000 Kilometer langen Netzes investiert werden. Im Schnitt sind das 8,62 Milliarden im Jahr, nach Angaben des Ministeriums 54 Prozent mehr als bisher. Geplant sind jährlich steigende Zahlungen; es wird also nicht jedes Jahr ein Zehntel der Gesamtsumme investiert, sondern in den ersten Jahren weniger, danach mehr. Zuletzt hatte es eine Vereinbarung über fünf Jahre gegeben, die Investitionen von 5,6 Milliarden Euro im Jahr vorsah und jetzt ausläuft. Die nun längere Laufzeit verschafft Bahn und Bauunternehmen mehr Planungssicherheit. Als Ziel nannte Scheuer "ein leistungsfähiges, hochwertiges Schienennetz als Grundlage für aktiven Klimaschutz im Verkehr". Überalterte Anlagen sollen ersetzt und das Baustellenmanagement verbessert werden, ebenso die Barrierefreiheit und der Zustand der Brücken. "Für ein Maximum an Attraktivität für die Fahrgäste." Von einem solchen Maximum dürften sich viele Fahrgäste zuletzt weit entfernt gefühlt haben: Unpünktliche Züge, kaputte Klimaanlagen: An unerfreulichen Reiseerlebnissen herrscht kein Mangel. In den ersten sechs Monaten 2019 hatte gut jeder fünfte Fernverkehrszug Verspätung.

Die Laufzeit ist auf zehn Jahre verdoppelt worden. Das bringt mehr Planungssicherheit

Die "Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung" zwischen Bahn und Bund ist die dritte ihrer Art. Derzeit wird laut Ministerium der Vertragsentwurf fertiggestellt, dann muss der Bundestag noch zustimmen. Gelten soll die Vereinbarung von 2020 an. 62 der gut 86 Milliarden Euro sollen aus dem Bundeshaushalt kommen, der Rest aus Eigenmitteln der Bahn. Damit steigert der Bund seine Ausgaben um fast 60 Prozent, die Bahn ihre um gut 40. Bislang sind in der Finanzplanung allerdings nur 51,4 Milliarden Euro als "Infrastrukturbeitrag" vorgesehen; nach Angaben des Finanzministeriums kämen aber noch die Dividende der Bahn hinzu und Mittel aus anderen Maßnahmen. Ronald Pofalla, Infrastrukturvorstand der Bahn, sprach am Freitag von einem großen Erfolg für die Kunden der Bahn - und von einem "enormen Kraftakt" der vor der Bahn liege.

Aus Sicht der verkehrspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Daniela Ludwig (CSU), wird mit der Vereinbarung der Koalitionsvertrag umgesetzt. Darin seien eine Verlagerung von Gütern auf die Schiene und eine Zunahme des Schienenpersonenverkehrs vereinbart. Dank der deutlich gestiegenen Investitionsmittel könne der Sanierungsstau abgearbeitet werden. Der sei aber viel größer als angenommen, warnte der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Matthias Gastel. Gleichzeitig explodierten die Baupreise bei laufenden Bauvorhaben. Um den Preisanstieg nicht zusätzlich zu befeuern, müsse der Bund parallel zu den Schieneninvestitionen den Straßenneubau verringern. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol lobte, dass die Bahn auch selbst "mit zusätzlichen Mitteln in den Erhalt der Schienenwege investiert".

Weit oben auf der Prioritätenliste dürften die sanierungsbedürftigen Schnellstrecken stehen. Auch marode Brücken sind ein großes Problem, hinzu kommen kaputte Schienen und Weichen. Der schlechte Zustand des Netzes ist mit ein Grund für die Pünktlichkeitsprobleme der Bahn. Allein für dieses Jahr sind 800 Baustellen geplant.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: