Schaumwein:Freixenet wird deutsch

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Grund zum Feiern: Henkell will mit Freixenet zum weltweit führenden Anbieter von Schaumweinen werden. (Foto: imago)

Henkell übernimmt über die Hälfte der Anteile an dem spanischen Familienunternehmen.

Von Thomas Urban, Madrid

Vor knapp zwei Jahren machte die Nachricht die Runde, dass die deutsche Sektkellerei Henkell Interesse an Freixenet habe. Freixenet, der größte Schaumweinproduzent Spaniens, ein Familienunternehmen mit langer Tradition und Sitz in Sant Sadurní d'Anoia rund 50 Kilometer westlich von Barcelona. Doch damals konnte sich der weitverzweigte Familienclan nicht einig werden, ob man wirklich die Deutschen ins Unternehmen lassen wollte. Doch nun ist es so weit: Henkell, ein Unternehmen des Oetker-Konzerns, steigt nicht nur bei dem 157 Jahre alten Unternehmen ein, sondern übernimmt mit 50,67 Prozent sogar eine knappe Mehrheit der Anteile. Der Preis wurde offiziell nicht veröffentlicht. Die spanische Zeitung La Vanguardia berichtet, Freixenet sei mit 440 Millionen Euro bewertet worden, so dass Henkell etwa 220 Millionen Euro zahle.

Sollten die Kartellbehörden zustimmen, würde so der Weltmarktführer für Schaumwein entstehen - zumindest nach der produzierten Menge. Beide Unternehmen machen ihren Hauptumsatz im unteren Preissegment. Cava, wie der katalanische Schaumwein heißt, ist seit Langem weltweit etabliert. Vor allem jenseits des Atlantiks und in Asien verkauft er sich blendend. Auch in den deutschsprachigen Ländern ist Freixenet sehr beliebt. Nur Rotkäppchen aus dem deutschen Osten verkauft sich hier besser. Die Marken Söhnlein Brillant, Deinhard, Kupferberg und Fürst von Metternich, alle aus dem Hause Henkell, lässt Freixenet hinter sich. Auf der anderen Seite verkaufen sich Henkell-Produkte in Spanien eher schlecht. Die Marketingexperten beider Gruppen konnten nun also verkünden, dass ihre Absatzmärkte sich geradezu ideal ergänzten.

Die Wiesbadener Gruppe ist allerdings viel breiter aufgestellt, als es die Katalanen selbst zu ihren besten Zeiten waren: Sie haben in vielen Ländern einheimische Marken aufgekauft - wie den italienischen Prosecco Mionetto und Sektkellereien in Osteuropa, Ungarn, Rumänien, Tschechien, in der Slowakei und der Ukraine. Zunehmend kamen auch harte Spirituosen ins Angebot. Beliebter Dauerbrenner bei den Deutschen ist "Wodka Gorbatschow", einst gegründet von russischen Emigranten in Berlin und 1986 rechtzeitig zum Beginn der deutschen Gorbatschow-Begeisterung aufgekauft.

Der Teil der Familie, der gegen den Einstieg der Deutschen war, gab seinen Widerstand vermutlich angesichts der unerfreulichen Geschäftszahlen der vergangenen Jahre auf. Die Gewinne gingen immer stärker zurück: 2017 waren es bei einem Gesamtumsatz von 535 Millionen Euro gerade einmal acht Millionen Euro. Zugleich stieg die Schuldenlast beträchtlich.

Vor knapp 15 Jahren begannen die Probleme von Freixenet und auch die des einheimischen Wettbewerbers Codorníu, in Deutschland mit der Marke Rondel vertreten. Ein Streit über die Ausweitung des Autonomiestatuts für Katalonien erregte vor knapp anderthalb Jahrzehnten die Öffentlichkeit. Patriotisch gesinnte Politiker in anderen Regionen Spaniens riefen zum Boykott katalanischer Produkte auf. Prompt brach 2005 der Absatz für Cava ein. Zwar beruhigten sich die Gemüter wieder, doch dann drückte die Wirtschaftskrise in Folge des Platzens einer gigantischen Immobilienblase den Umsatz nach unten. In Krisenzeiten war den meisten Spaniern nicht zum Sekttrinken zumute.

Die Gewinne des Unternehmens aus der Nähe von Barcelona gehen seit Jahren zurück

Die Probleme der Firma verschärften sich weiter, nachdem die Führung in Barcelona von 2012 an offen die Abspaltung Kataloniens betrieb. Zwar distanzierten sich die katalanischen Cava-Produzenten von dem Kurs Barcelonas. Freixenet-Präsident Josep Lluís Bonet erklärte: "Einige Katalanen fühlen sich nicht als Spanier oder wollen es nicht sein. Wir aber sind beides." Damit handelte er sich wiederum großen Ärger bei vielen seiner katalanischen Landsleute ein, während sich auf der anderen Seite die spanischen Konsumenten von seinen Worten nicht beeindrucken ließen.

Gewinner in dieser nationalpatriotisch aufgeheizten Stimmung wurden Schaumwein-Produzenten aus den Nachbarregionen Kataloniens. Spanische Supermarktketten zeichneten Freixenet- und Codorníu-Flaschen eigens mit kleinen katalanischen Fahnen aus - vier schmale rote Streifen auf gelbem Grund -, gewissermaßen als Warnung für den Konsumenten. Die Zentralregierung in Madrid übte massiven Druck auf die in Katalonien ansässigen Firmen aus, ihre Geschäftssitze in andere Regionen zu verlegen, um der Regionalregierung in Barcelona Steuereinnahmen zu entziehen, und schuf dafür eigens Gesetze.

Die Geschäftsführung von Codorníu siedelte daraufhin in die Weinregion Rioja um, wo bereits ein Tochterunternehmen ansässig ist. So weit ging man bei Freixenet nicht. Denn Ende Oktober stellte die Zentralregierung Katalonien unter Zwangsverwaltung, nachdem der Regionalpräsident Carles Puigdemont die Unabhängigkeit proklamiert hatte. Dieser wurde daraufhin abgesetzt und setzte sich nach Brüssel ab. Die Unabhängigkeitsträume sind erst einmal verflogen, die Chancen, dass der Freixenet-Umsatz wieder steigt, stehen gut. Dass nun deutsche Manager das Sagen haben, dürfte im Heimatland der Traditionsmarke nur wenige grämen: Sowohl bei patriotischen Katalanen, als auch bei den Spaniern stehen die Deutschen in hohem Ansehen.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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