Scharfe Kritik:Kapitalmarkt weiterhin ein "El Dorado" für Betrüger

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Schlechte Noten für die Bundesregierung in puncto Anleger- und Verbraucherschutz: Die Rechtslage habe sich teilweise eher verschlechtert als verbessert, kritisiert Edda Müller vom Bundesverband Verbraucherzentralen.

Das Fazit zur bisherigen Umsetzung des im Frühjahr 2003 aufgelegten 10-Punkte-Programms für Anlegerschutz sei ernüchternd, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes Verbraucherzentralen (vzbv), Edda Müller, am Dienstag in Berlin.

Edda Müller, die Vorsitzende des Bundesverbandes Verbraucherzentralen. (Foto: Foto: dpa)

In wesentlichen Punkten blieben die bisherigen Maßnahmen hinter den Zielen zurück oder führten teils zu einer Verschlechterung der Rechte von Anlegern.

Weniger Aktionäre

Wichtige Probleme seien bisher noch nicht aufgegriffen. Der erhoffte Vertrauenszuwachs der Anleger in die Märkte habe sich nicht eingestellt.

Die Zahl der Aktionäre und Anleger in Aktienfonds in Deutschland sei trotz der Gegenmaßnahmen weiter zurückgegangen auf 4,6 beziehungsweise 5,2 Millionen. Die Politik sei gegenüber den Interessen der Wirtschaft eingeknickt, insbesondere bei den zurückgezogenen Plänen für eine schärfere Managerhaftung, kritisierte Müller.

"Mit diesem Einknicken gegenüber der Unternehmenslobby wird man das Vertrauen der privaten Anleger nicht zurückgewinnen können." Bundesregierung und Wirtschaftsverbände wiesen die Kritik zurück.

10-Punkte-Programm sollte Finanzplatz D stärken

Nach Bilanzskandalen und Milliardenpleiten an den Börsen hat die Bundesregierung ein 10-Punkte- Programm für mehr Anlegerschutz und zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland vorgestellt.

Dabei geht es um härtere Strafen für Manager bei Betrügereien, mehr Schutz auf dem betrugsanfälligen "Grauen Kapitalmarkt", neue Bilanzregeln und eine Art Bilanzpolizei sowie Vorgaben für Abschlussprüfer und Ratingagenturen.

Erste Gesetze sind bereits verabschiedet, einige noch in Arbeit, andere verzögern sich nach Kritik. Auf scharfe Ablehnung bei Verbraucherschützern und Vertretern der Kleinaktionäre stößt vor allem die Rücknahme erster Pläne für eine persönliche Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten bei vorsätzlichen und grob fahrlässigen Falschinformationen.

Interessensverflechtung kritisiert

Die Bundesregierung hatte den Rückzieher mit Kritik von Verbänden und neuen EU-Plänen begründet. Ursprünglich sollten Manager bis zu vier Bruttojahresgehälter plus Nebenleistungen Schadenersatz zahlen. "Die Kehrtwende betrübt außerordentlich", sagte Müller.

Es bestehe der Eindruck, die Regierung habe sich der Unternehmerlobby gebeugt. Bei der Arbeit von Gesetzesentwürfen gebe es zudem "bemerkenswertes Outsourcing" an Anwaltskanzleien, die zugleich Unternehmen in Anfechtungsklagen vertreten.

Die Wirtschaft argumentiert, mit den Plänen würde die Risikobereitschaft von Unternehmen behindert. Gewarnt wird auch vor höheren Gehältern und steigenden Prämien für Berufshaftpflichtversicherungen. Klaus Bräuning vom Industrieverband BDI sprach sich für "Maß und Mitte gesetzlicher Regelungen" aus.

Anlegerschützer: Neues Gesetz ein gravierender Rückschritt

Aus Sicht von Müller bleibt auch der "Graue Kapitalmarkt" weiter ein "El Dorado" für Betrügereien. Das bereits in Kraft getretene Gesetz, das unter anderem wie bei Börsengängen eine Prospektpflicht mit Verkaufsinformationen vorschreibt, reiche nicht.

Mit dem "Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz" und dem Gesetzentwurf zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts will das Kabinett an diesem Mittwoch zwei weitere Punkte beschließen.

Anlegerschützer übten scharfe Kritik. Der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus Schneider, nannte die geplante Einschränkung des Fragerechts auf Hauptversammlungen einen gravierenden Rückschritt.

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