Schaeffler:Alte Lasten

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Die Familie Schaeffler und Vorstandschef Klaus Rosenfeld (rechts im Bild) beim Börsengang. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Acht Jahre nach dem Beinahe-Ruin laufen die Geschäfte von Schaeffler gut . Wären da nicht Altlasten.

Von Uwe Ritzer, Frankfurt

Ein elektromechanischer Wankelstabilisator gehört nicht unbedingt zu den Bestandteilen eines Fahrzeugs, die den gemeinen Autofahrer elektrisieren. Dabei sorgt das Teil tief in den Eingeweiden des Wagens dafür, dass die Insassen beim Fahren in Kurven oder auf holprigen Straßen nicht gar so arg durchgeschüttelt werden. Seit 2015 produziert die Schaeffler AG den von ihr entwickelten Winkelstabilisator in Serie, und für den Vorstandsvorsitzenden Klaus Rosenfeld ist er ein Musterbeispiel dafür, wohin der Automobil- und Industriezulieferer insgesamt steuert.

Gewiss, auch künftig will Schaeffler Wälzlager verkaufen, Massenteile also, von denen in jedes Auto etwa 100 bis 150 in unterschiedlicher Größe und Form eingebaut sind. Mehr denn je will der fränkische Familienkonzern aber seinen Kunden ganze Bauteile anbieten, komplexe Systeme statt Einzelteilen. Im Zuge dessen entwickelt Schaeffler auch vollständige Hybridmodule und spezielle Achsen für elektrogetriebene Fahrzeuge. Eine Milliarde Euro wird das Unternehmen nach Rosenfelds Angaben in den nächsten fünf Jahren in Elektromobilität investieren, die Zahl der Mitarbeiter in dieser Sparte soll auf 2400 verdoppelt werden. Auch das Geschäft mit Lagern für Windräder wächst kräftig.

Trotz Börsengang sieht sich der Autozulieferer als Familienunternehmen

Elektromobilität, überhaupt Umwelttechnik werden ein zentrales Thema in dem Mehrjahresplan sein, den Rosenfeld im Juli präsentieren wird, die "Roadmap Schaeffler 2020". Am Kern der Firma aber werde sich nichts ändern, versichert er. Auch wenn Schaeffler seit Herbst 2015 börsennotiert ist und elf Prozent der Anteile Investoren überließ. Ursprünglich sollten es 25 Prozent sein. "Wir sind ein Familienunternehmen und werden ein Familienunternehmen bleiben", sagt Rosenfeld.

Das dabei mitschwingende Selbstbewusstsein macht sich aktuell an Zahlen fest. 2015 steigerte die Schaeffler AG ihren Umsatz um 9,1 Prozent auf 13,23 Milliarden Euro. Vor allem die Geschäfte der Autosparte laufen hervorragend, Schaeffler gewinnt hier stetig Marktanteile hinzu. Im vergangenen Jahr investierte der Konzern erstmals mehr als eine Milliarde Euro, die Zahl seiner Beschäftigten stieg um 1900 auf 84 200 und die Schulden aus der Übernahme der Continental AG 2007 wurden auf 4,9 Milliarden Euro gedrückt. Und damit um ein Viertel binnen drei Jahren. "Wir werden sie weiter aus eigener Kraft reduzieren", kündigte Rosenfeld an, als er am Dienstag am schicken Frankfurter Westhafen die Bilanzzahlen präsentierte.

Das letzte Jahr verlief zweifellos erfolgreich für Schaeffler, dementsprechend optimistisch ist Rosenfelds Ausblick. Bis zu fünf Prozent Wachstum erwartet Schaeffler in diesem Jahr und eine Gewinnmarge in der Größenordnung wie 2015, wo sie bei 12,7 Prozent lag. Angst vor einer Krise? "Wir können auch in schwierigem Umfeld vernünftig wachsen", sagt Rosenfeld. Wären da nur nicht die Altlasten.

Sie reichen zum Teil in die Ära von Rosenfelds Vorgänger Jürgen Geißinger zurück. Und sie sind dafür verantwortlich, dass der Gewinn vor Steuern und Abgaben (Ebit) 2015 um fast acht Prozent auf 1,4 Milliarden Euro sackte. Allein 370 Millionen Euro Bußgeld musste Schaeffler auf Geheiß der EU-Kartellwächter für unerlaubte Preisabsprachen zahlen.

Damit ist die Sache aber längst noch nicht ausgestanden. Schaeffler wird im Nachgang dazu mit Schadenersatzforderungen überzogen, weshalb das Management 2015 vorsorglich 230 Millionen Euro Rückstellungen gebildet hat. Das drückte den Gewinn, und womöglich wird es dabei nicht bleiben.

Auch in Brasilien und Korea ermitteln die Kartellbehörden wegen möglicher illegaler Preisabsprachen gegen Schaeffler-Tochterfirmen, in Indien droht ebenfalls ein Verfahren. "Bußgelder sind nicht ausgeschlossen", heißt es dazu im Geschäftsbericht. In Spanien und Korea ergingen bereits Bußgeldbescheide in unbekannter Höhe, gegen die Schaeffler Rechtsmittel eingelegt hat. Und dann ist da noch der Korruptionsfall in der Türkei.

Wie die von der EU geahndeten Preisabsprachen bezieht auch er sich auf den Zeitraum 2006 bis 2011. In 150 Fällen sollen Schaeffler-Mitarbeiter insgesamt 700 000 Euro Schmiergeld gezahlt haben, um bei Aufträgen oder Ausschreibungen zum Zug zu kommen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen acht Beschuldigte, darunter auch Geißinger. Der Vorwurf lautet "Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Untreue sowie Steuerhinterziehung", so ein Sprecher. Schaeffler hat die acht ehemaligen Mitarbeiter zudem auf 13 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Rosenfeld wollte dazu am Dienstag nichts sagen; es handele sich um ein laufendes Verfahren.

Geißinger wiederum ließ seinen Sprecher dementieren, was ihm niemand vorgeworfen hat: Die Staatsanwaltschaft beschuldige ihn nicht, "selbst an Bestechungszahlungen beteiligt" gewesen zu sein. Und er lege wert auf die Feststellung, dass er "die damaligen Vorfälle in der Türkei lückenlos aufgearbeitet und im Rahmen des Compliance-Reports 2011 alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet" hat.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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