Saudi-Aramco:Wüsten-Gigant

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Der Ölkonzern Saudi Aramco legt erstmals Zahlen vor. Der größte Börsengang der Geschichte ist wieder wahrscheinlicher geworden.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Niemand weiß, wann die Zeit nach dem Öl anbricht. Sicher ist nur, dass sie kommen wird. Für ein Königshaus, das mit den Milliarden aus dem Ölexport seine Herrschaft sichert, ist schon diese vage Vorhersage ein Risiko. Kronprinz Mohammed bin Salman von Saudi-Arabien hat dieses Risiko im Sinn, denn ohne das Streben nach Machterhalt ist sein Versprechen vom Wandel nicht zu erklären. Er will die Wirtschaft des Wüstenstaats umbauen, Milliarden investieren, den Staat schrittweise öffnen, das Land unabhängig machen von den Öl-Einnahmen. "Vision 2030" hat er seinen Zukunftsplan für das autoritär geführte Land genannt.

Wesentlicher Baustein dieses Vorhabens: Ein einstmals undenkbarer Teil-Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco. Er wurde mehrmals verschoben, zwischenzeitlich sah es so aus, als würde nie etwas daraus. Seit diesem Montag scheint die größte jemals geplante Erstnotiz wieder greifbar zu sein. Zum zweiten Mal überhaupt hat Saudi Aramco Zahlen vorgelegt und zum ersten Mal mit Analysten über diese Zahlen gesprochen. Sie sind nicht nur gigantisch, so wie alles an diesem Konzern - sie verraten auch viel über die Zukunft der Ölförderung in Saudi-Arabien, dem wichtigsten Ölexporteur der Welt.

In der ersten Hälfte des Jahres hat der Staatskonzern einen Gewinn von umgerechnet 46,9 Milliarden Dollar erwirtschaftet, wegen der niedrigeren Ölpreise zwölf Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im April hatte der Konzern erstmals Zahlen für das Gesamtjahr mitgeteilt: Etwas mehr als 111 Milliarden Dollar Gewinn waren es in 2018, bei einem Umsatz von 356 Milliarden. Um das ungefähr einordnen zu können: Als umsatzstärkster börsennotierter Konzern der Welt hat Apple im ersten Halbjahr 31,5 Milliarden Dollar verdient.

Ursprünglich wollte Mohammed bin Salman fünf Prozent des Konzerns an die Börse bringen, bei einer rechnerisch kaum möglichen Gesamtbewertung von zwei Billionen Dollar. Analysten taxieren den Wert von Saudi Aramco eher im Bereich von 1,2 Billionen Dollar. Für diese Bewertung wesentlich ist zunächst zweierlei: Das einst sorgfältig gehütete Geheimnis, wie viel Öl die Felder unter dem Wüstensand noch hergeben - und wie viel dieses Öl über die Zeit wert ist. Saudi Aramco zufolge haben Wirtschaftsprüfer die Menge von 268,5 Milliarden Fass (159 Liter) bestätigt. Pro Tag fördert der Konzern nach eigenen Angaben im Schnitt etwa 10 Millionen Fass.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem langfristigen Wert dieser Energiereserven. Noch wächst mit der Weltwirtschaft auch die Menge an verbrauchtem Erdöl. In den Industrieländern haben sich Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch indes schon teilweise entkoppelt. Sollte die Welt noch strengere, verbindliche Klimaschutzregeln festschreiben und durchsetzen, würde sich das erheblich negativ auf den Wert des saudi-arabischen Erdöls auswirken. Je schneller es Saudi Aramco an die Börse schafft, desto geringer ist dieses Risiko.

Ein Zeichen, dass Saudi Aramco bald ernst machen könnte mit seinen Börsenplänen, ist die am Montag verkündete Beteiligung am indischen Mischkonzern Reliance Industries. Die Saudis wollen 20 Prozent des Öl- und Chemiegeschäfts von Reliance übernehmen. Es handele sich dabei um eine der größten Auslandsinvestitionen, die je in Indien getätigt worden seien, sagte Reliance-Chef Mukesh Ambani am Montag.

Saudi Aramco hatte dem saudi-arabischen Staatsfonds zuletzt die Beteiligung am staatlichen Chemiekonzern Sabic abgekauft. Mit der Investition in Indien könnte der Konzern mittelfristig noch mehr Öl verarbeiten. Noch im vergangenen Jahr hatte es so ausgesehen, als käme Prinz Mohammed auch ganz gut ohne die Milliarden aus dem Börsengang aus. Nun soll die Haushaltslücke laut IWF in diesem Jahr sieben Prozent steigen - zu viel, um nebenbei den Hunderte Milliarden Euro teuren Umbau der Wirtschaft zu finanzieren.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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