SAP:Nicht länger Rat-los

Lesezeit: 2 min

Das deutsche Vorzeigeunternehmen SAP weist in einer ganz spezifischen Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal auf: Trotz seiner Größe ist der IT-Koloss bis dato eine betriebsratsfreie Zone geblieben. Doch das könnte sich nun ändern.

Dagmar Deckstein

Es ist eines der großen deutschen Vorzeigeunternehmen, in mancherlei Hinsicht etwas anders als andere große Mittelständler und Konzerne im Lande. In einer Randlage der Bundesrepublik, weitab von den Metropolen, siedelt im nordbadischen Walldorf der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware, SAP.

Betriebsräte mischen sich hier noch nicht ein: Die SAP-Zentrale in Walldorf. (Foto: Foto: dpa)

In den mehr als 30 Jahren nach der Firmengründung ist Deutschlands bis heute einziger Softwarekonzern ständig gewachsen, beschäftigt inzwischen weltweit 32.000 Mitarbeiter, davon 14.000 in Deutschland und 7500 am Firmensitz in der badischen Provinz.

SAP mit seiner Erfolgsgeschichte weist auch in einer ganz spezifischen Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal auf: Trotz der Größe ist der IT-Koloss aus Walldorf bis heute eine betriebsratsfreie Zone geblieben.

Eine neue Ära könnte anbrechen

Es könnte sein, dass sich diese Zeiten bald dem Ende nähern, dass am kommenden Donnerstag eine neue Ära für SAP anbricht. Zum 2. März haben drei SAP-Beschäftigte die Belegschaften in Walldorf und im benachbarten St. Leon-Rot zur Betriebsversammlung geladen. Zweck der Veranstaltung: Kür eines Wahlvorstands für die zwischen März und Ende Mai stattfindenden Betriebsratswahlen im Lande.

Dafür muss der Wahlvorstand dann eine Liste von Mitarbeitern zusammenstellen, die für solch einen Posten kandidieren.

Keine Frage, dass die IG-Metall, die auch für diese Branche zuständig ist, das Vorhaben wohlwollend unterstützt - nicht zuletzt durch allerlei Aufklärung auf der eigens eingerichteten Webseite www.sap.igm.de.

Kritisch beäugt

Ebenso keine Frage, dass der SAP-Mitgründer und heutige Großaktionär Dietmar Hopp dieses Vorhaben äußerst kritisch beäugt. In seinen Chefzeiten bei SAP lautete seine Standdardauskunft: "Wer einen Betriebsrat gründet, der fliegt." Jetzt tat er einem Online-Magazin seine Sorge kund, dass es dem Unternehmen schlecht bekommen werde, "wenn die IG Metall in der SAP einen fremd gesteuerten Betriebsrat installiert".

Die Zeiten sind allerdings vorbei, da Betriebsräte noch willfährige Vollstrecker der Vorgaben aus den Gewerkschaftszentralen waren, heute ist es eher umgekehrt. Auch hält sich der Organisationsgrad der IT-Werker in Walldorf in engsten Grenzen.

Über die Jahrzehnte war SAP legendär für den überaus freundlichen Umgang mit den Mitarbeitern, der vom kostenlosen Mittagessen in der Werkskantine über großzügige Firmenwagenregelung bis zur stattlichen Altersversorgung reichte.

Acht Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat

Das hatte aber nicht zuletzt auch damit zu tun, dass sich das Management etwas einfallen lassen musste, um hochqualifizierte Softwareexperten in die Provinz zu locken. Seit dem Börsengang 1988 sitzen immerhin acht Arbeitnehmervertreter im 16-köpfigen SAP-Aufsichtsrat, die Probleme stets auf dem kurzen Dienstweg mit dem Vorstand klärten. Damals zählte das Unternehmen aber gerade mal 1400 Beschäftigte.

Wenn man sich heute unter SAP-Mitarbeitern umhört, steht es mit deren Zufriedenheit schon lange nicht mehr derart zum Besten wie in den alten Zeiten.

Mit dem steigenden Wettbewerbsdruck steigt auch der Druck auf Arbeitsmenge und -tempo des Einzelnen, mit den früheren Freiheiten und der Arbeit unter hoher Eigenverantwortung sei es ebenfalls vorbei.

Wachsende Unzufriedenheit

SAP, so fasst es einer zusammen, "veramerikanisiert zunehmend". So könnte es durchaus sein, dass sich die wachsende Unzufriedenheit zumindest an der Zahl der Teilnehmer an der Betriebsversammlung am 2. März ablesen lässt. Ob dann dereinst auch ein Betriebsrat gewählt wird, ist aber offen.

© SZ vom 28.02.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: