Sachveständigenrat:Der Allzweckberater

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Nach reichlich Zwist und öffentlichen Streitereien haben die fünf Wirtschaftsweisen den Darmstädter Ökonomen Bert Rürup zu ihrem neuen Chef gewählt — einstimmig.

Er gilt als "Allzweckberater".

Der kasachischen Regierung stellte Bert Rürup schon seine Expertise zur Verfügung, ebenso dem österreichischen Sozialministerium und der Europäischen Union.

In Deutschland scheint seit Jahren kein wirtschaftspolitischer Rat, keine sozialpolitische Kommission ohne das Wissen und die Stimme des Darmstädter Ökonomen auszukommen.

Nun hat Rürup den bisherigen Höhepunkt seines Beraterlebens erreicht: Die so genannten Fünf Weisen wählten den 61-Jährigen Wirtschaftsprofessor zu ihrem Vorsitzenden.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist so etwas wie der Olymp der professoralen Einflüsterer. Die Mitglieder des 1963 von der Regierung gegründeten Gremiums bekommen mit ihrer Ernennungsurkunde quasi den Ausweis als ökonomische Vordenker der Republik.

Streitigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen

Einmal im Jahr dürfen sie sich im Herbst in einem kiloschweren Katalog von Kommentaren und Korrekturvorschlägen zur Regierungspolitik zu Wort melden. Zuletzt geriet der Rat allerdings nicht nur durch seine brillanten Analysen, sondern mit internem Streit in die Schlagzeilen.

Das Richtungsgezänk der Wissenschaftler gipfelte im Rückzug des bisherigen Vorsitzenden Wolfgang Wiegard, dessen Platz nun Rürup einnimmt.

Der Professor an der TU Darmstadt gehört seit 2000 zum Kreis der Weisen und hat vom Bundespräsidenten gerade die Urkunde für eine zweite fünfjährige Amtszeit erhalten. Die Wahl zum Vorsitzenden durch seine Beraterkollegen erfolgte einstimmig.

Rürup gilt als frühaufstehender Disziplinarbeiter. Und trotzdem fragt sich mancher, wie der am 7. November 1943 in Essen geborene Professor sein Pensum in den vergangenen Jahren bewältigt hat.

Seinem Ruf als Renten- und Demographieexperten folgend, war er 1999 Mitglied der Kommission zur Vorbereitung der Riester-Rentenreform, also der Einführung der staatlich geförderten Privatvorsorge. Im März 2000 wurde er zum Wirtschaftsweisen berufen, im September zum Vorsitzenden des Sozialbeirats für die Rentenversicherung.

Ignorierte Expertisen

Im April 2002 übernahm er zunächst den Vorsitz einer sechsköpfigen Reformkommission zur Rentenbesteuerung - die sich mit dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichbehandlung von Renten und Pensionen herumplagte und die Grundlage für die 2005 in Kraft gesetzte Reform legte.

Im Herbst desselben Jahres durfte sich Rürup mit 25 weiteren Experten in der nach ihm benannten Kommission gleich die Reform aller Sozialsysteme vornehmen. Immer arbeitete der Ökonom seinen Regierungsauftrag sauber ab. Letztlich nahm er sogar weitgehend klaglos hin, dass die Regierung die Frucht seiner Mühen doch häufig ignoriert.

So blieb der Vorschlag der Rürup-Kommission zur Anhebung des Rentenalters auf 67 ebenso liegen wie das komplizierte Modell zur Reform der Pflegeversicherung, das vor allem Rentner erheblich belastet hätte. Bekanntestes der mit Nichtachtung gestraften Rürup'schen Reform-Modelle ist die Umstellung der Krankenversicherung auf Kopfpauschalen.

Gefallen findet der Vorschlag einer einheitlichen Gesundheitsprämie, für die SPD-Mitglied Rürup seit Jahren streitet, derzeit hauptsächlich bei der CDU.

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