Russland:Die Festnahme eines Öl-Magnaten

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Die russische Justiz hat im Zuge ihrer Ermittlungen gegen den Ölkonzern Yukos sechs Strafverfahren gegen deren Chef Michail Chodorkowski eingeleitet. Angelastet wird einem der reichsten Männer Russlands unter anderem Unterschlagung, Steuerhinterziehung sowie schwerer Betrug.

In einer spektakulären Aktion wurde der Geschäftsmann auf dem Flughafen von Nowosibirsk von Sicherheitsbeamten festgenommen und nach Moskau gebracht. Der Haftantrag wurde offiziell damit begründet, dass Chodorkowski dem russischen Staat "Schaden in Höhe von mindestens einer Million Dollar" zugefügt habe. Politiker äußerten sich besorgt über die Entwicklung.

Dem Yukos-Chef würden unter anderem Betrug in großem Umfang sowie das Umgehen von Steuerzahlungen "der Organisation und als Einzelperson" vorgeworfen, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax einen Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten

Die Staatsanwaltschaft ermittelte schon seit einigen Monaten gegen Yukos wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Staatseigentum. Chodorkowski wurde bei einer Zwischenlandung in Nowosibirsk von Mitgliedern einer Spezialeinheit aus dem Flugzeug geholt, wie Jukos-Sprecher Alexander Schadrin berichtete.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, Chodorkowski sei für Freitag zu einem Verhör geladen worden, aber nicht erschienen. Es sei deshalb beschlossen worden, seine Vorladung mit staatlicher Gewalt umzusetzen. Schadrin sagte hingegen, man habe die Behörden davon in Kenntnis gesetzt, dass Chodorkowski auf Geschäftsreise sei und deshalb den Termin nicht wahrnehmen könne.

Chodorkowski befand sich laut Interfax am Samstag auf dem Weg von Nischni Nowgorod an der Wolga nach Irkutsk in Sibirien. Die Zwischenlandung in Nowosibirsk war lediglich zum Auftanken des Flugzeugs eingeplant. Yukos hatte sich im April mit seinem heimischen Konkurrenten Sibneft zum viertgrößten Erdöl- und Gasproduzenten der Welt zusammengeschlossen.

Bei der am Nachmittag begonnenen Vernehmung Chodorkowskis ging es nach offiziellen Angaben zunächst um Fragen im Zusammenhang mit der früheren Festnahme von leitenden Yukos-Angestellten und dem Verdacht der Steuerhinterziehung innerhalb des Konzerns. Anschließend seien die Strafverfahren gegen den Öl-Magnaten eingeleitet worden.

Yukos im Visier der Fahnder

Die Justiz hatte im Juli einen der Yukos-Hauptaktionäre, Platon Lebedjew, wegen angeblichen Betrugs bei einem Privatisierungsgeschäft in den 90er Jahren festgenommen. Daneben läuft ein Verfahren wegen angeblichen Mordes gegen einen Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung des Konzerns. Im Oktober wurde gegen einen weiteren Yukos-Manager ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet.

Die Ermittlungen im Umfeld von Yukos hatten begonnen, nachdem Chodorkowski Anfang dieses Sommers angekündigt hatte, er wolle im Wahlkampf vor der Parlamentswahl im Dezember den liberalen Parteien Jabloko und Union Rechter Kräfte helfen, die in Opposition zum Kreml stehen.

In einer ersten Reaktion äußerten sich russische Politiker besorgt über die Entwicklung. Der kommunistische Duma-Vorsitzende Gennadi Selesnjow äußerte die Hoffnung, dass "hinter all diesen Ereignissen nicht ein politischer Auftrag steht".

Für die Union Rechter Kräfte war der politische Charakter der Aktion gegen Yukos und Chodorkowski "offensichtlich". Alexander Melnikow von der Jabloko-Partei sowie andere Abgeordnete befürchteten negative Auswirkungen am heimischen Aktienmarkt für Yukos sowie "schweren Schaden für die Wirtschaft Russlands insgesamt". Ausländische Investoren würden nunmehr an der Stabilität in Russland zweifeln.

Ein namentlich nicht genannter Vertreter der russischen Regierung begrüßte die Aktion der Justizbehörden. Nunmehr könne "die russische Geschäftswelt erfahren, welche Straftaten dieser "bisnismen" begangen hat", wurde der Regierungsvertreter von der Agentur Interfax zitiert.

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