Russisch-Ukrainischer Gasstreit:Moskau erhöht den Druck

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Im Gasstreit rennt Russland und der Ukraine die Zeit davon. Der russische Gasproduzent Gasprom ergriff bereits Maßnahmen, um die Gaslieferungen an die Ukraine am Sonntag notfalls reduzieren zu können. Den Versuch, für die Verhandlungen Zeit zu gewinnen, lehnte Gasprom ab.

Ein Gasprom-Sprecher teilte am Freitag in Moskau mit, dass im Tagesverlauf eine Expertenkommission zusammenkomme, die das Vorgehen nach dem Auslaufen der gültigen Gasverträge mit der Ukraine zum Jahreswechsel koordinieren solle.

Mess-Station in der russischen Region Kursk zur Überprüfung des Gasflusses in die Ukraine und nach Westeuropa. (Foto: Foto: dpa)

Am Freitag, dem letzten Arbeitstag des Jahres, wollten beide Seiten in Moskau ihre Verhandlungen über erhöhte Exportpreise für russisches Gas an die Ukraine fortsetzen.

Eine Reduzierung der Gasexporte ab dem 1. Januar ist nach Gasprom- Angaben technisch problemlos möglich. "Das haben Tests, die wir in der Vorwoche durchgeführt haben, zweifelsfrei bewiesen", sagte der Sprecher des staatlich kontrollierten Gasförderers, Sergej Kuprijanow, dem staatlichen Fernsehsender Rossija.

Kein Aufschub bis 10. Januar

Gasprom wies zudem am Freitag einen Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko zurück, den Preis bis zum 10. Januar einzufrieren. Das meldete die Nachrichtenagentur RIA-Nowosti. Juschtschenko wollte mit seinem Vorschlag offenbar Zeit für die Gespräche zur Beilegung des Streits gewinnen.

Moskau droht, die Lieferungen an seinen Nachbarn am Sonntag um 08.00 Uhr einzustellen, sollte Kiew die Vervierfachung des Preises nicht akzeptieren. Russland will den Preis für je 1.000 Kubikmeter Erdgas von derzeit 50 Dollar (42 Euro) auf 220 bis 230 Dollar (186 bis 194 Euro) anheben. Das entspricht in etwa dem Weltmarktniveau.

Die Ukraine befürchtet davon Nachteile für ihre energiehungrige Schwerindustrie und hat darum gebeten, die Erhöhung über fünf Jahre zu strecken.

Die Gespräche zur Beilegung des Streits wurden am Freitagmorgen in Moskau in Arbeitsgruppen fortgesetzt, wie der Sender Rossija meldete.

Gasprom-Chef bekräftigt Drohungen

Gasprom-Chef Alexej Miller bekräftigte derweil die Drohungen gegen die Ukraine. "Wir werden klar und entschlossen handeln", sagte er. Der Gasprom gehörende russische Fernsehsender NTV unterbrach extra sein Programm, um die Äußerungen Millers live zu übertragen.

Ein Sprecher von Gasprom wies Einlassungen des ukrainischen Ministerpräsidenten Juri Jechanurows zurück, wonach Gasprom neue Vorschläge unterbreitet habe.

Jechanurow erklärte auch, sein Land erhalte nächstes Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Gas aus Turkmenien. Diese Lieferungen seien bereits vertraglich vereinbart, betonte er in einem Radiointerview. Er trat damit offenbar Befürchtungen entgegen, die Ukraine werde künftig weniger Gas aus Turkmenien erhalten.

Gas aus Turkmenien

Die russische Regierung hatte am Donnerstag angekündigt, im kommenden Jahr ihre Gasimporte aus Turkmenien zu erhöhen. Analysten vertraten die Ansicht, damit würde weniger Gas aus Turkmenien für den Export in die Ukraine übrig bleiben. Die Ukraine deckt ihren Gasbedarf zu etwa 45 Prozent aus Turkmenien. Aus Russland kommen etwa ein Drittel.

Das ukrainische Notfallministerium kündigte am Freitag die Einrichtung eines Krisenstabes an, der im Falle einer Energieknappheit die Lage koordinieren soll.

Die deutsche Regierung betonte unterdessen, dass keine Gefahr für die deutsche Gasversorgung durch den Streit bestehe.

Zudem rechnet Berlin mit einer Einigung der Kontrahenten, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin sagte.

Deutschland lehnt Vermittlerrolle ab

Eine deutsche Vermittlerrolle lehnt die Regierung allerdings ab. Zuvor hatten Politiker mehrerer Parteien den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Vermittlung aufgefordert.

Zwar beziehe Deutschland insgesamt 30 Prozent seines Erdgases über die Ukraine; der Anteil russischen Erdgases an der deutschen Versorgung insgesamt liege bei 36 Prozent, erklärte das Wirtschaftsministerium.

Doch könne man im Fall eines Lieferstopps auf fast vollständig gefüllte Gasspeicher zurückgreifen und 75 Tage überbrücken, sagte eine Ministeriumssprecherin. "Insgesamt scheint mir die Lage nicht dramatisch. Es besteht kein Anlass zur Sorge."

Mit beiden Seiten im Gespräch

Wilhelm sagte, die Bundesregierung verfolge die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sehr aufmerksam. Im Sinne der sicheren Versorgung Deutschlands hoffe man, dass die Verhandlungen mit einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss abgeschlossen würden. Auf Arbeitsebene sei Deutschland mit beiden Seiten im Gespräch, "ohne eine Vermittlerrolle anzustreben".

Zu einer Vermittlung durch Altkanzler Gerhard Schröder, wie es einige Politiker gefordert hatten, sagte Wilhelm: "Ich denke, dass sich dieses Thema derzeit nicht stellt." Er "gehe davon aus, dass es zu einer Einigung kommt".

Auf die Frage nach Russlands Motiven, die Gaspreise für die Ukraine um mehr als 400 Prozent anzuheben, sagte der Regierungssprecher, er habe "keine Anhaltspunkte, die auf eine Machtprobe hinweisen". Es handele sich um Verhandlungen zwischen zwei Partnern über die Vertragskonditionen künftiger Gaslieferungen.

Am Ende der Lieferstrecke

Die Bundesrepublik sei dadurch beteiligt, dass sie am Ende der Lieferstrecke liege. Sie bringe deshalb "unser Interesse ein, dass die Verhandlungen zur Lösung führen".

Russland hatte der Ukraine mit einem Lieferstopp zu Jahresbeginn gedroht, falls sie die Preissteigerung nicht akzeptiert. Die Ukraine drohte ihrerseits damit, die Pipeline, die russisches Gas durch ihr Gebiet bis nach Westeuropa bringt, eigenmächtig anzuzapfen. Die Verhandlungen wurden am Freitag fortgesetzt.

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