Rücknahmesysteme:Pfänderspiel mit neuen Regeln

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An diesem Mittwoch, dem 1. Oktober, wird die bislang verwirrende Praxis des Dosenpfandes etwas weniger kompliziert - für die Kunden.

Von Wolfgang Roth

(SZ vom 01.10.03) - Weil die in sich zerstrittenen Unternehmensverbände von Handel und Industrie kein gemeinsames Rücknahmesystem aufbauen wollten, konnten die Käufer von Dosenbier und diversen Getränken in Einwegflaschen die Behälter neun Monate lang nur dort abgeben, wo sie sie erworben hatten.

Von heute an muss jeder, der eine solche Ware anbietet, unabhängig von der Marke auch die Ware der Konkurrenz annehmen und das Pfand in Höhe von mindestens 25Cent auszahlen.

Zwei Ausnahmen

Davon gibt es zwei Ausnahmen: Hat ein Laden weniger als 200 Quadratmeter Fläche, muss er nur die von ihm geführten Marken zurücknehmen. Bringt eine Handelskette speziell geformte, unterscheidbare Behälter auf den Markt, kann sie ihre Rücknahme- und Pfandpflicht auf diese beschränken - so genannte Insel-Lösungen.

Für die Verbraucher hat das Vorteile: Bierdosen unterscheiden sich in der Form nicht, können also im Prinzip überall eingelöst werden, wo es Bierdosen gibt. Weil ein Bahnhofskiosk in der Regel kleiner als 200 Quadratmeter ist, kann er sich allerdings auf Büchsen der Brauerei beschränken, die er selbst führt; wo sie verkauft wurden, spielt dabei keine Rolle.

Für die Einzelhändler bleibt das Pflichtpfand verwirrend, weil fürs erste mehrere Rücknahmesysteme nebeneinander existieren. Das umfassendste hat der Großhändler Lekkerland-Tobaccoland aufgebaut, der Tankstellenketten und Kioske beliefert; auf Flaschen und Dosen prangt ein P-Symbol.

Automaten

Die Handelskette Spar hat die "Vereinigung für Wertstoffrecycling" (VfW) mit der Rücknahme beauftragt; dies geschieht weiter mit Pfandcoupons, später sollen das Automaten übernehmen. Einige Brauereien im Rheinland wollen sich dem System "Westpfand" anschließen, das auf der Verpackung einen Hinweis auf das Pfand vorsieht.

Zusätzlich tritt die "Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Verpackungs-Recycling-Systeme" (AVR) auf den Plan, die die Behälter mit einem Metallstreifen kennzeichnen will; spezielle Automaten sollen dann einen Kassenbon ausspucken.

Zusammen mit den Insel-Lösungen ergäbe das fünf Rücknahmesysteme. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Der Gesetzgeber hat 1991 mit der Verpackungsverordnung eine landesweit einheitliche Lösung vorgesehen.

Dickicht

Die Europäische Kommission erwägt deshalb, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten soll. Bundesumweltminister Jürgen Trittin argumentiert dagegen, ausländische Anbieter würden nicht diskriminiert, die deutschen Getränke-Abfüller müssten sich schließlich im selben Dickicht zurechtfinden.

Mächtige Teile von Industrie und Handel setzen indes unverhohlen darauf, dass der von ihnen herbeigeführte Wirrwarr das Pflichtpfand mit Hilfe der EU aushebelt.

Eine Folge des seit 1. Januar geltenden Einweg-Pfands ist evident: Die von der Verordnung angestrebte Mehrwegquote von 72 Prozent war im Jahr 2002 mit etwa 54 Prozent weit unterschritten, für das erste Halbjahr 2003 wurde dagegen ein Wert von mehr als 60 Prozent ermittelt.

Viele Händler haben Dosen und Einweg-Flaschen aus den Regalen genommen, weil ihnen der Aufwand zu hoch war.

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