Robo Advisor:Der größte Robo

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Die automatisierte Geldanlage ist hierzulande noch wenig bekannt. Das wird sich künftig ändern, glaubt Erik Podzuweit, einer der Gründer von Scalable Capital. Der Onlinedienst verwaltet bereits mehr als 1,8 Milliarden Euro.

Von Katharina Wetzel

Mitten im Gespräch springt Erik Podzuweit auf und wischt mit der unteren Hälfte seines T-Shirts den Bildschirm seines Laptops sauber. Eigentlich wäre so viel Aufwand gar nicht nötig gewesen. Doch die vermeintlich unbedeutende Aktion ist vielleicht typisch für Podzuweit. Voller Einsatz für die Sache - auch wenn es nur darum geht, ein Schaubild zu zeigen. Dem Gegenüber soll klar werden, dass Podzuweit keine Mühen scheut. Es ist auch diese offene, herzliche und spontane Art, die dem früheren Goldman-Sachs-Banker verhalf, zum größten digitalen Vermögensverwalter Deutschlands aufzusteigen. Podzuweit ist gewissermaßen das sympathische Gesicht hinter den Robo Advisors, wie diese Online-Vermögensverwalter im Fachjargon heißen.

Der Gründer des Start-ups Scalable Capital weist gern darauf hin, dass es am Münchner Stammsitz in der Prinzregentenstraße lockerer zugehe als etwa bei einer klassischen Bank oder einem Versicherungsunternehmen. Podzuweit wirkt in seinem legeren Outfit mit Firmenlogo S für Scalable auf dem besagten T-Shirt nicht wie ein Banker oder ein Computerfreak, der sich in der Zahlenwelt verliert. Klar, er könnte stundenlang über die "Softwarisierung" der Wirtschaft berichten und hier und da aus interessanten Artikeln zitieren. Doch der 38-Jährige, der auf der 6000-Einwohner-Insel Norderney aufgewachsen ist, fällt aus dem üblichen Rahmen. Während andere Geschäftsführer gern mal mit Fakten langweilen, berichtet Podzuweit diese im Plauderton. Dabei kann sein Unternehmen, das er im Dezember 2014 zusammen mit seinem früheren Goldman-Sachs-Kollegen Florian Prucker und seinem ehemaligen Statistikprofessor Stefan Mittnik gegründet hat, Beachtliches vorweisen. Mehr als 50 000 Kunden haben Scalable bereits ihr Geld anvertraut, insgesamt verwaltet das Finanztechnologieunternehmen, das von der Aufsicht Bafin reguliert wird, mehr als 1,8 Milliarden Euro. In München und London beschäftigt Scalable mehr als 100 Mitarbeiter. Vor zwei Jahren waren es noch 50.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Wer dem Robo Advisor sein Geld anvertraut, hat in der Regel ein gutes Einkommen und ist technikaffin. Viele Kunden seien selbst in der Finanz- oder IT-Branche tätig. Die Mindestanlagesumme beträgt 10 000 Euro. Dafür erhält der Anleger je nach Risikoeinstufung ein automatisch generiertes Portfolio aus börsengehandelten Fonds, sogenannten Exchange Traded Funds mit einer global diversifizierten Streuung. Für die Dienstleistung verlangt Scalable 0,75 Prozent der Anlagesumme plus Fondskosten, was vergleichsweise teuer ist. Inklusive ist ein aktives Risikomanagement.

"Robo Advisors sind die einfachste Art, an ein gemanagtes ETF-Depot zu kommen", sagt Podzuweit. Anleger können sich zwar auch selbst ein global diversifiziertes ETF-Portfolio zusammenstellen. Wer sich darum nicht kümmern mag, der findet bei Robos jedoch eine gute Alternative, die in der Regel kostengünstiger ist als aktiv gemanagte Fonds von Banken. In den vergangenen Jahren nahm der Wettbewerb unter den Robos stark zu. Doch für Scalable sei der größte Konkurrent immer noch der klassische Bankberater oder das Nichtstun. Bislang sind Robo Advisors erst wenigen ein Begriff. Um am Markt bestehen zu bleiben, sind die Start-ups auf Kooperationen angewiesen.

Gründer Erik Podzuweit von Scalable Capital. (Foto: Scalable)

Podzuweit hat dies früh erkannt. Während Mitgründer Prucker technisch versiert sei, Professor Mittnik hinter dem Anlagemodell stehe, sei es seine Aufgabe in dem Dreierbund, sich um die Investoren zu kümmern. Kontakte zu knüpfen und im persönlichen Gespräch mit Charme und Witz zu überzeugen, gehört zu seinen Stärken. Beim Bayerischen Finanzgipfel 2015 saß der sportbegeisterte Jungunternehmer nach der Panelteilnahme mit der damaligen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, dem heutigen Commerzbankchef Martin Zielke, dem Siemens-Versicherungschef Alexander Mahnke und ING-Chef Ralph Hamers am Tisch. Podzuweit kann bei so einer Gelegenheit glänzen. So ergeben sich Kontakte, andere kommen dann hinzu.

Mittlerweile ist Scalable zu einem wichtigen Technologieanbieter in Europa aufgestiegen. So betreibt die Firma auch die digitale Vermögensverwaltung für ING Deutschland und die Mitarbeiter von Siemens. Zudem arbeiten die Openbank der Santander-Gruppe, die Targobank der französischen Crédit-Mutuel sowie der Robo Oskar, eine Beteiligung von finanzen.net, mit der Softwarelösung von Scalable. Die Technologie-Umsätze machen inzwischen etwa 50 Prozent des Geschäfts aus. "Demnächst wird es zwei weitere große Deals mit europäischen Banken geben", kündigt Podzuweit an. Daneben weitet der Marktführer unter den hiesigen Robo Advisors sein Angebot aus. Neuerdings bietet Scalable nicht nur ein automatisiertes ETF-Depot an, sondern auch Tages- und Festgeldanlagen von Banken aus ganz Europa. Dafür kooperiert Scalable mit der Zinsplattform Raisin. "Da haben wir einen Gag eingebaut", freut sich Podzuweit und zeigt auf die Scalable-Website. Kunden, die das neue Angebot nutzen, können live verfolgen, wie die Zinsen sekündlich steigen. Ein Gimmick, das in Zeiten überbordender Gebühren gute Laune macht.

"Negativzinsen, Regulatorik, Digitalisierung - für uns ist das super", sagt Podzuweit. Je mehr Kunden sich von Banken genervt abwenden, wenn diese die Gebührenschraube aufgrund der billigen Geldpolitik und zunehmender Kosten weiter nach oben drehen, desto mehr Zulauf könnten Robos bekommen. Doch bislang sind die digitalen Anbieter weit davon entfernt, die Banken abzulösen. Ende 2018 erreichte das verwaltete Vermögen der digitalen Online-Dienste laut DB Research circa 14 Milliarden Euro in Europa. In den vergangenen Jahren haben viele Finanzinstitute Robos übernommen oder selbst eigene digitale Vermögensplattformen aufgebaut, die wegen ihrer Bekanntheit als Marke leichter Kundengeld anziehen als ein Start-up.

Eigentlich wäre der Break-Even, also die Schwelle, ab der Start-ups Gewinne machen, bei Scalable schon erreicht, berichtet Podzuweit. Doch das Unternehmen soll erst einmal noch weiterwachsen. Dafür hat Scalable, das zu gut einem Drittel den Gründern und Mitarbeitern gehört, insgesamt 66 Millionen Euro an Finanzierungen von Investoren (Blackrock, HV Holtzbrinck Ventures und Tengelmann Ventures) eingesammelt. "Wir geben viel Geld für Marketing aus", sagt Podzuweit. In zwei bis vier Jahren soll Scalable dann profitabel sein. Mit dem Wachstumsplan sei auch Larry Fink, Chef von Blackrock, einverstanden. Der größte Vermögensverwalter der Welt hält ein gutes Drittel der Anteile von Scalable. Wie es zu dem Einstieg von Blackrock kam, erzählt Podzuweit auf Nachfrage. Im Züricher Fünfsternehotel Dolder gab es "ein Treffen auf Augenhöhe". "Larry ist mit dem Privatjet angereist und wir mit dem Bus. Er fand das total sympathisch. Dann haben wir uns von Gründer zu Gründer ausgetauscht." Blackrock sei schließlich auch noch kein altes Unternehmen.

Der umtriebige Podzuweit ist ein unterhaltsamer Gesprächspartner, kein Wunder, dass er oft in den Medien ist. Viel über die Selbständigkeit gelernt habe er von seinem Vater und seiner Tante, die zusammen eine Heizölspedition haben. "Meine Mutter schneidet die Zeitungsartikel noch immer aus", sagt Podzuweit schmunzelnd. Dass er seinen Job bei Goldman Sachs aufgegeben hat, sei seine beste Entscheidung gewesen. "Beruflich ist es noch mehr Stress, obwohl Goldman nicht als Ponyhof bekannt ist, aber das ist das eigene Baby", sagt Podzuweit, der in Berlin-Mitte wohnt und unter der Woche mit seinem Zwillingsbruder und mit Gründerkollege Stefan Mittnik in einer WG in München lebt.

Die Zahlenwelt der Robos lässt Podzuweit auch mal gern hinter sich, etwa, wenn er in seiner Freizeit im Englischen Garten joggt (vier- bis fünfmal die Woche), irgendwo gegen den Wind surft oder mal wieder für ein Rugbyspiel trainiert. Früher spielte er für den SC Frankfurt 1880 in der Ersten Bundesliga. Nachdem er sämtliche frühere Verletzungen aufgezählt hat, sagt er, dass er im Sommer wieder auf einem Turnier mit der alten Rugby-Mannschaft spiele. Da dürfte sich Podzuweit wieder mit vollem Einsatz ins Getümmel werfen.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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