Risikoprüfung:Ministerien im Zwist

Lesezeit: 2 min

Unabhängig geprüft? Die zuständige deutsche Behörde hat Warnungen vor Glyphosat von Anfang an abwehrend behandelt, wie E-Mails zeigen.

Von Lena Kampf und Elisa Simantke, Berlin

Kurz vor der Abstimmung über Glyphosat sind sich deutsche Behörden noch immer uneinig. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will die Zulassung des Pestizids unbedingt verlängern, das Umweltministerium (BMUB) nicht. Auf EU-Ebene bedeutet dies: Deutschland muss sich enthalten. Doch der politische Druck ist groß, Kommissionschef Jean Claude Juncker warnt: Eine Enthaltung sei keine Lösung. Der Konflikt zwischen den Ministerien schwelt, seitdem IARC, das Krebsforschergremium der WHO, den Stoff als "wahrscheinlich krebserregend" einstufte und so dem Votum deutscher Prüfbehörden widersprach, deren Urteil auch auf EU-Ebene maßgeblich ist.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem BMEL untersteht, war zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Gefahr für Menschen bestehe. Interne E-Mails, die SZ und WDR vorliegen, zeigen nun, wie abwehrend deutsche Prüfer 2015 die Warnung des IARC behandelten. Sie bekamen dabei auch Hilfe von Monsanto: Als im März 2015 die Kurzfassung des kritischen Berichts erschien, reagierte der Konzern prompt. Seine 27 Seiten lange Erwiderung lag noch am selben Tag auf dem Tisch der Beamten. Die dem BMEL nachgeordneten Behörden stimmten sich untereinander ab. In E-Mails heißt es: "Anbei die Veröffentlichung, auf die Monsanto Bezug nimmt. Ziel wäre es, bei Presseanfragen gleichlautende Informationen herauszugeben." Und: "Wir werden wahrscheinlich mit einer Flut von Anfragen rechnen müssen, da bestimmte NGOs auf eine derartige Bewertung nur gewartet haben."

Der Streit um das Mittel kommt so Manchem gelegen

Alarmiert von den Ergebnissen des IARC zeigte sich dagegen das Umweltbundesamt (UBA), das dem Umweltministerium untersteht. Dort hatte man noch 2014 eine deutliche Zunahme von Glyphosat-Konzentrationen im Urin junger Erwachsener als "toxikologisch nicht besorgniserregend" eingestuft. Das ändert sich mit dem IARC-Urteil. In einem Brief von UBA-Chefin Maria Krautzberger heißt es: Aus Vorsorgegesichtspunkten könne schon "beim Verdacht auf ein krebserzeugendes Potenzial nicht von Unbedenklichkeit gesprochen werden", so die Erklärung. Die vorherige Aussage habe "nicht weiter Bestand". Bei der Bewertung des Wirkstoffes spielten die Bedenken des UBA trotzdem keine Rolle. Gesundheitsrisiken fallen allein in den Bereich des BMEL. Offiziell votierte das Umweltministerium zwar gegen Glyphosat, aber mit einer anderen Begründung: Es sieht die Artenvielfalt bedroht.

Agrarmister Christian Schmidt (CSU) kritisierte Umweltweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wegen ihrer ablehnenden Haltung immer wieder. Für die Bauern sei Glyphosat unverzichtbar. Intern kam der Zwist aber so manchem nicht ungelegen. "Bei so einer Konstellation läuft es häufig auf eine Stimmenthaltung hinaus. Das wäre für das BMEL nicht das Schlechteste", hieß es in E-Mails an die Leitungsebene der nachgeordneten Behörde. Die Taktik: Der Glyphosat-kritischen deutschen Öffentlichkeit kann kommuniziert werden, dass Deutschland gegen die erneute Zulassung des Pflanzengifts stimmt. "Wegen der überwiegenden Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten würde der Wirkstoff aber trotzdem genehmigt werden", so das Kalkül. Ein Sprecher des BMEL sagte, das BfR habe nach der Veröffentlichung des IARC die Krebsgefahr erneut überprüft, dabei sei auch das IARC-Gutachten berücksichtigt worden.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: