Risiken:Sie wissen es, aber sagen es nicht

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Ohne finanzielle Sorgen altern: Davon träumen viele Deutsche. Mit Aktien lässt sich das nötige Geld verdienen – wenn diese nicht plötzlich an Wert verlieren. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Die Unternehmen ahnen, welche Risiken und Schäden ihnen drohen. Sie wollen es nur nicht ihren Aktionären sagen, behaupten Aktionärsvertreter.

Von Sven Lüüs, München

Viele Unternehmen kennen ihre Risiken, verschweigen sie aber den Aktionären. Das kritisiert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). "Wir wollen einfach die Informationen haben", sagt Hans-Georg Köglmayr, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Pforzheim. Die Unternehmen hätten Abteilungen, die fundiert Risiken einschätzten, weil die Firmen ja auch daran interessiert seien. Sie teilten diese Informationen nur nicht mit ihren Aktionären. Die SdK vertritt die Interessen von privaten Aktionären und will Aktien als Altersvorsorge etablieren. Dass Aktien als Altersvorsorge dienen können, hänge auch davon ab, wie die Unternehmen über Risiken berichteten.

Nur 61,5 Prozent der Dax-Konzerne informieren so gut über Risiken, dass sie den aktuell gültigen Standard, den deutschen Rechnungslegungsstandard, erfüllen. Das ergab eine Untersuchung Köglmayrs im Auftrag der SdK. Die SdK will aber nicht nur, dass sich die Aktiengesellschaften an die bisherigen Regeln halten. Sie will, dass diese härteren Informations-Regeln folgen.

Unternehmen informierten ihre Aktionäre bisher nicht umfassend genug, weil sie Angst davor hätten, dass der Aktienkurs sinke, wenn sie alle Risiken offen darlegten. Hätte ein Autokonzern wie Volkswagen oder Daimler frühzeitig über die drohenden finanziellen Folgen des Diesel-Skandals informiert, wäre dessen Aktienkurs vermutlich zuerst eingebrochen. Um so etwas zu vermeiden, will die SdK, dass alle Unternehmen gleichzeitig durch einen Kodex verpflichtet werden, ihre Aktionäre über Risiken zu informieren. Konkrete Pläne, wie das umgesetzt werden könnte, hat sie allerdings noch nicht. Falls das mit dem Kodex nicht funktioniere, müsse aber ein Gesetz her, sagt SdK-Vorstand Markus Kienle.

Dass es bei Aktien auch Risiken gibt, die eine Aktiengesellschaft selbst nicht prognostizieren kann, zeigt die SdK in ihrem jährlich erscheinenden Schwarzbuch, in dem nachzulesen ist, wer am Aktienmarkt besonders getrickst hat. Der Hypoport AG, eine Berliner Fintech-Firma, hat der Staat ins Geschäft gegrätscht: Hypoport hatte ihren Hauptsitz in einem gemieteten Gebäude auf einem gemieteten Grundstück. Das Grundstück wollte sie kaufen, um den Unternehmenssitz dort zu erhalten. Kurz bevor Hypoport das Grundstück endgültig kaufen konnte, erwarb es die Stadt Berlin. Der hatte das Grundstück früher mal gehört, deswegen hatte sie ein Vorkaufsrecht. Der Umzug in ein anderes Gebäude auf ein anderes Grundstück kostet die Aktiengesellschaft natürlich erneut Geld. Wenn der Berliner Senat kein Gremium einer Behörde wäre, "dann würden wir von Raubtierkapitalismus sprechen", sagt Kienle.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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