Rio Tinto:In der Grube

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Der Bergbaukonzern Rio Tinto hat zu wenig Erz und zu viele Konkurrenten, die ihn kaufen wollen. Doch Firmenchef Tom Albanese will mit dem Unternehmen ein ebenbürtiger Gegner zum Konkurrenten BHP Billiton sein.

Andreas Oldag

Bergbau ist inzwischen ein hoch-technisiertes Geschäft, aber ein Hauch von Abenteuer umweht ihn bis heute. Tom Albanese erlag dem offenbar schon in jungen Jahren. Er verließ die beschauliche Kleinstadtidylle an der amerikanischen Ostküste, um an der Universität von Fairbanks in Alaska Mineralogie zu studieren. In den Semesterferien campierte er in einem Zelt in der Wildnis des amerikanischen Nordens und verdiente sich ein paar Dollar als Landvermesser für Goldsucher.

Ereignisreicher Job: Tom Albanese führt den Bergbaukonzern Rio Tinto. (Foto: Foto: Reuters)

Heute sitzt der immer noch jugendlich wirkende 50-Jährige in einem bequemen Londoner Büro. Er ist Chef des britisch-australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto, doch sein Leben ist nicht weniger ereignisreich als früher in der harschen Welt Alaskas. Er habe in den vergangenen Monaten einiges mehr erledigen müssen als ein Vorstandschef in einem normalen Unternehmen, sagt Albanese.

Kaum zwei Monate im Amt, kaufte er im vergangenen Jahr den kanadischen Aluminium-Konzern Alcan. Mit der 38-Milliarden-Dollar-Übernahme stieg Rio Tinto über Nacht zum größten Aluminium-Hersteller der Welt auf. Damit stach Albanese den amerikanischen Konkurrenten Alcoa aus, der seit kurzem von Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld geleitet wird. Doch wenig später musste der Firmenjäger Erfahrung als Gejagter machen: Sein Konkurrent Marius Kloppers von BHP Billiton hat ein feindliches Übernahmeangebot in Höhe von 170 Milliarden Dollar für Rio Tinto abgegeben.

"Iron Man" auf dem Hausboot

Es wäre die größte Fusion in der Bergbaugeschichte, doch Albanese zeigt sich unnachgiebig. Die Fusion sei eine Totgeburt, schnaubte er, im Übrigen würden ohnehin eine Menge Leute mit solchen Vorstellungen bei ihm anrufen, aber die meisten erhielten eine Absage. Rio Tinto sei gut gerüstet, aus eigener Kraft zu wachsen. Kein Investorentreffen vergeht inzwischen, ohne dass Albanese beziehungsweise Kloppers versuchen, den Gegner als Schwächling darzustellen.

Albanese weiß nur zu gut, dass die Karten in der Branche neu gemischt werden.

Infolge der fortschreitenden Industrialisierung in Schwellenländern wie China und Indien wächst der Hunger nach Rohstoffen rasant. Es herrscht Goldgräberstimmung. Die Preise für Eisenerz, Bauxit, Kupfer und Zink scheinen an den internationalen Rohstoffbörsen nur eine Richtung zu kennen: Nach oben, was die Kassen der Bergbauunternehmen füllt. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete die Branche weltweit Übernahmen für mehr als 120 Milliarden Dollar.

Nicht nur die Ausbeutung vorhandener Lagerstätten wird schwieriger. Verschärfte Umweltauflagen erhöhen Produktionskosten. Zudem sind Bodenschätze ein endliches Produkt. Um die letzte Tonne Kupfererz aus den Gruben zu kratzen, müssen die Unternehmen immer teurere Technik einsetzen. Gleichzeitig zeigen sich viele rohstoffreiche Länder wie Bolivien, Russland und Indonesien gegenüber ausländischen Investoren zunehmend protektionistisch. Westliche Konzerne konzentrieren deshalb ihre Investitionen auf politisch sichere Lagerstätten wie die riesigen Eisenerzminen in der Region Pilbara im Westen Australiens.

"Iron Men" kämpfen um die Krone, schrieb die britische Zeitung Guardian in Anspielung auf den Triathlon-Wettbewerb, der auf der Pazifik-Insel Hawaii ausgetragen wird. Um den Konkurrenten BHP Billiton auf Distanz zu halten, sieht sich Albanese nun auch bei anderen Investoren um: Anfang dieses Jahres stiegen der chinesische Aluminium-Konzern Chinalco und Alcoa mit zwölf Prozent bei Rio Tinto ein.

Ebenenbürtiger Konkurrent zu BHP Billiton

Seit neuestem munkeln Börsianer, dass auch der indische Stahlmogul Lakshmi Mittal an einer Beteiligung an Rio Tinto interessiert sei. Ein Geschäft zum gegenseitigen Vorteil: Mittal würde sich die Versorgung seiner Hochöfen mit Eisenerz sichern. Albanese hätte einen weiteren Investor, der eine feindliche Übernahme erschwert.

Der Rio-Tinto-Chef setzt so alles daran, den Konzern mindestens als ebenbürtigen Konkurrenten von BHP Billiton zu positionieren. Zugute kommt ihm dabei sicherlich seine Erfahrung: Albanese begann seine Karriere bei Rio Tinto 1993. Als gelernter Bergbauingenieur leitete er mehrere Jahre den wichtigen Eisenerz-Bereich der traditionsreichen Gesellschaft, die 1873 gegründet wurde. Die ersten unternehmerischen Aktivitäten konzentrierten sich auf die schon in der Bronzezeit bekannten Kupfervorkommen bei Minas de Riotinto in Südspanien, die später auch das Römische Reich mit Kupfer belieferten. Er sei stolz, bei einem Unternehmen mit solch einer langen Geschichte zu arbeiten, sagt Albanese.

Die sommerlichen Abenteuer von Albanese, längst Vater zweier Kinder, sind mittlerweile übrigens etwas weniger rauh: Im Sommer schippert er zusammen mit seiner Familie in einem alten Hausboot über englische Kanäle. Der Name des Schiffes: Buona Vita, was italienisch ist und "gutes Leben" bedeutet.

© SZ vom 02.07.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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