Rezension: beraten & verkauft:Teuer und überschätzt

Lesezeit: 2 min

Eine gnadenlose Abrechnung mit der Beraterbranche

Dorothea Heintze

Nicht schlecht für ein Sachbuch. Innerhalb weniger Tage stürmte Thomas Leif die Amazon-Bestenliste. Wer den Autor sprechen möchte, muss mit Unterbrechungen rechnen, sein Handy klingelt alle drei Minuten.

Natürlich hatte Leif, 47-jähriger Politprofi und Chef von "Netzwerk Recherche", mit dem Medienrummel gerechnet, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

Die Ironie: Ausgerechnet der Deutschland-Chef von McKinsey, Jürgen Kluge, hat entscheidend dazu beigetragen. Aktiv und persönlich, so berichtet Leif, habe sich Kluge eingeschaltet, um die Veröffentlichung des Buches zu ver- oder behindern.

Einmal bei der Verlagsleitung, dann beim niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, der zur Präsentation in Berlin eingeladen war. Wulff kam, hielt sich aber sehr bedeckt und ging nach einer halben Stunde. Im Januar 2004 hatte er bei Sabine Christiansen gegen Gefälligkeitsgutachten der Consultingbranche gewettert. Nun wollte er es sich wohl nicht komplett mit den Roland Bergers verderben.

Consulterdienste sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Mitarbeiter von McKinsey, Roland Berger oder The Boston Consulting Group tauchen überall auf: in Unternehmen wie in Parteizentralen, in Kindergärten, Stiftungen oder in den Kirchen.

Allein der Branchenführer McKinsey erwirtschaftete in Deutschland 2004 mit einem Mitarbeiterstab von 1750 Leuten einen Jahresumsatz von 540 Millionen Euro.

Leif urteilt gnadenlos: Die Berater seien zu teuer, ineffizient und würden maßlos überschätzt. Keine andere Branche verstehe es derart perfekt, einen Nimbus um sich herum aufzubauen. Intransparenz sei das "Schmieröl der Wissens-Recycler", die es dank eines aufgeblähten Vokabulars immer wieder verstünden, Eindruck zu schinden.

In einem Glossar listet Leif auf, wie dieser Sprach-Bluff funktioniert: "Information-Flow" und "Benefits" lauten die Begriffe; eine "komplexe Erklärungsvariable" ist nichts anderes als eine "Ursache", wer fordert, Mitarbeiter von ihren Aufgaben zu "entlasten", will schlicht und einfach ihren Rausschmiss.

Jeder, der schon einmal vor einem derartig faselnden Beraterschnösel saß, liest dies voller Genugtuung. Aufschlussreich sind auch die anonymisierten Interviews: "Es sind zum Teil absolut naive Leute, die zu Unternehmensberatungen gehen, Zahlenklopper.

Die Akten durchgehen, Zahlen durchschauen, aber eine Idee für einen intelligenten Umbauprozess oder einen politisch oder organisatorischen neuen Ansatz habe ich noch nicht gesehen." Der hier befragte Chefberater eines deutschen Unternehmens urteilt über die PR-Wirksamkeit von Beratungen: "Scheiße, absolute Scheiße."

All dies ist amüsant zu lesen, aber aufgrund vieler Wiederholungen etwas ermüdend. Sicher, Unternehmensberater unterliegen einem Dresscode, sie fahren schicke Autos und leisten sich teure Wohnungen.

Ähnliches gilt auch für Immobilienmakler, und die Kundenberaterin einer Bank wird nicht in Gammeljeans zu ihrem Job erscheinen. Über 50 Seiten lang schildert eine junge Journalistin ihren Bewerbungsmarathon bei McKinsey. Sehr aufschlussreich. Aber ist es dafür wichtig, dass sie sich in Berlin verläuft? 20 Seiten hätten es auch getan.

Interessant wird das Buch immer wieder dann, wenn es ums Politikgeschäft geht. Fast schon vergessen ist, dass McKinsey-Chef Jürgen Kluge in den Medien zeitweise als Minister im Kabinett Merkel gehandelt wurde. Friedrich Merz forderte bei seinem Amtsantritt als Fraktionsvorsitzender, dass sich Mitarbeiter der Unionsfraktion einem Eignungstest durch McKinsey unterziehen müssten.

Das war zwar lächerlich, aber es zeigte, wie sehr man in der Politik auf die Berater vertraut. Gerade die großen Privatisierungs- und Reformvorhaben der öffentlichen Hand basieren häufig auf Empfehlungen der Consulter.

Doch: Ob bei der Bundeswehr oder in der Bundesanstalt für Arbeit - es fehlte an öffentlichen Ausschreibungen, erbärmliche Ergebnisse wurden kritiklos akzeptiert, Folgeaufträge trotzdem erteilt. Das alles bezahlt der Steuerzahler. Das ist nicht amüsant, sondern skandalös. Die Dokumente Leifs sind Insidern mit Sicherheit bekannt, für Laien bieten sich erschreckende Einblicke in den Politikalltag.

Beraterdienste wurden über Jahrzehnte hinweg überschätzt - andererseits haben sie auch ihre Verdienste.

Das Buch von Thomas Leif widmet sich nur den Misserfolgen. Erst ganz am Ende zeigt sich der Autor mit Ausblick auf die Zukunft versöhnlich: "Der Mythos der Branche bröckelt", schreibt er.

Schon heute würde man auch in der Politik Beraterleistungen nüchterner betrachten und analysieren: "Erste Tendenzen sind erkennbar."

© SZ vom 22.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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