Revision im Mannesmann-Prozess:Juristische Fragen vom Feinsten

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Der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf hat eine detaillierte Tagesordnung erstellt.

Daniela Kuhr

Es ist ein umfangreiches Programm, das sich der III. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) für die Revisionsverhandlung vorgenommen hat. Ganz oben auf der Tagesordnung des Vorsitzenden Richters Klaus Tolksdorf steht die Prämie von 15 Millionen Euro, die das Aufsichtsratspräsidium dem damaligen Konzernchef Klaus Esser zugebilligt hat.

Das Gericht will klären, welche Pflichten ein Aufsichtsrat hat, welche Bedeutung das Aktiengesetz für das Strafrecht hat, ob die Präsidiumsmitglieder ihre Pflichten falsch eingeschätzt haben und ob das schon ihren Vorsatz oder eventuell nur ihre Schuld entfallen lässt.

Prozessbeobachter erwarten gleich in mehrfacher Hinsicht ein wegweisendes Urteil. So könnten die Richter endlich Klarheit schaffen über den Straftatbestand der Untreue, der als unpräzise gilt.

Widersprüche und Lücken

Und auch die Rechtmäßigkeit nachträglich bewilligter Millionenprämien ist mittlerweile höchst umstritten. Hier sieht selbst Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der damals im Präsidium von Mannesmann die Prämien mitbeschlossen hatte, Klärungsbedarf. Schließlich seien solche Prämien im Investment-Banking gang und gäbe, hatte er gesagt.

Auch die Frage, ob Esser sich bei seiner Prämie nur wegen Beihilfe strafbar gemacht hat oder - wie die Bundesanwaltschaft meint - womöglich sogar als Täter in Betracht kommt, steht auf dem Programm. Zudem will sich das Gericht mit dem Abstimmungsverhalten von Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel befassen.

Zwickel saß damals ebenfalls im Präsidium und hat den Beschlüssen nicht widersprochen. Auch die Prämien für weitere Vorstandsmitglieder und die Drei-Millionen-Euro-Zahlung für Aufsichtsratschef Joachim Funk stehen auf der Tagesordnung. Funk hatte an dem Beschluss über seine Prämie zunächst selbst teilgenommen; weil das aber nicht erlaubt ist, wurde die Entscheidung später ohne sein Mitwirken wiederholt.

Schließlich wird das Gericht über die Zahlungen an Pensionäre und deren Hinterbliebene verhandeln. Fast 30 Millionen Euro flossen damals auf Geheiß des Präsidiums, um die Pensionsansprüche ehemaliger Vorstandsmitglieder auf einen Schlag abzugelten. "Die wollten den Laden einfach nur sauber übergeben", sagen die Verteidiger.

Die Bundesanwaltschaft hält dagegen: Die Abfindung "brachte der Mannesmann AG nur Nachteile, den begünstigten Pensionären beziehungsweise Hinterbliebenen nur Vorteile", heißt es in einem Schriftsatz der Bundesanwälte Gerhard Altvater und Ralf Wehowsky, die die Revision vor dem BGH verfechten werden. Auf den 55 eng beschriebenen Seiten, mit denen sie sich dem Revisionsantrag der Düsseldorfer Ankläger anschlossen, haben sie das Urteil des Landgerichts bereits zerpflückt.

Die Freisprüche hielten "rechtlicher Prüfung nicht stand", meinen die Bundesanwälte. Vor allem den Untreue-Paragrafen habe das Gericht falsch angewendet. Das Urteil sei widersprüchlich und lückenhaft. Und auch die Verteidiger geben zu, dass es "an manchen Stellen eiert".

Zitieren lässt sich damit allerdings keiner. "Im Ergebnis halte ich die Freisprüche für richtig und haltbar", sagt Rainer Hamm, der den Ex-Gewerkschafter Zwickel verteidigt. Und auch Ackermann-Verteidiger Klaus Volk erwartet, "dass die Grundsatzprobleme intensiv behandelt und in unserem Sinne gelöst werden".

© SZ vom 20.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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