Rekordhitze:Schutz gegen wetterbedingte Umsatzausfälle

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Für die Landwirte war der diesjährige Sauna-Sommer eine Katastrophe. Doch es gibt Schutz: Wer sich mit "Wetter-Derivaten" absichert, kann abkassieren, wenn ein bestimmtes Wetter-Ereignis eintritt.

Von Markus Zydra

(SZ vom 2.9.2003)Es war ein schlechter Sommer - das sagen zumindest die Landwirte, denn die sengende Hitze zerstörte die Ernte. Für die Eiscremehersteller dagegen war es ein guter Sommer. Die Laufkundschaft war dankbar für jede Kugel Pistazie oder Vanille.

Auch die Tourismusbranche lebt vom Wetter: Schnee in den Bergen, Hitze am Strand, Regen am besten überhaupt nicht. Genauso wetteranfällig sind Brauereien, die Modebranche oder Sportartikelhersteller. Die Witterung lässt sich aber oft nur wenige Tage im Voraus erkennen - keine gute Grundlage für eine verlässliche Kalkulation.

Doch die Unternehmen können sich gegen solche Unwägbarkeiten schützen: mit Wetterderivaten. Sie dienen der Absicherung gegen wetterbedingt ausbleibende Umsätze. Derivate, lateinisch: derivare - ableiten, kann man als gekaufte Gutscheine verstehen.

Sie lösen Zahlungen aus, wenn ein bestimmtes Wetterereignis eintritt: etwa eine bestimmte Regenmenge, eine definierte Schneehöhe, eine konkrete Windstärke, ein Erdbeben bestimmter Stärke. Bebt die Erde in Tokio mit 5,6 Punkten auf der Richterskala, dann erhält der Derivatbesitzer die ausgehandelte Zahlung. Dabei ist egal, ob er einen materiellen Schaden erlitten hat oder nicht.

Ein Markt in den Anfängen

Ein Wetterderivat schützt primär gegen den Eintritt eines Ereignisses. Das ist der entscheidende Unterschied zur klassischen Versicherungspolice. "Zudem werden Derivate steuerlich und bilanztechnisch anders behandelt als Versicherungen", sagt Jürg Trüb, Wetterderivat-Experte bei Swiss Re.

Interessant sind diese Finanzinstrumente im Prinzip für jeden Unternehmer, der Wetterrisiken ausgesetzt ist. "Aufgrund des Analyseaufwands lohnt sich ein Wetterderivat allerdings erst ab Risiken in Höhe von 100000 Euro", so Trüb.

In den USA waren es Stromversorger, die 1997 den Handel mit Wetterderivaten starteten. Der Grund: Die Umsatzmengen der Versorger, so zeigte die Statistik, hängen von der durchschnittlichen Tagestemperatur ab. Bei 16 Grad Celsius heizen die Haushalte mehr als bei 20 Grad - und umgekehrt.

Die Chicago Mercantile Exchange (CME) hat bereits im Herbst 1999 die ersten börsengehandelten Wetter-Terminkontrakte (Futures auf HDD und CDD) in zehn amerikanischen Städten eingeführt. HDD steht für "Heating Degree Days", CDD für "Cooling Degree Days".

Hier handelt es sich um Mess-Einheiten für Temperaturen über und unter der festgelegten Vergleichstemperatur von 18 Grad. Versorger sichern sich auf dieser Basis gegen Umsatzschwankungen durch Wetterextreme ab.

Der Markt für Wetterderivate steckt dennoch erst in den Anfängen. Das Volumen der Transaktionen ist gering. "Es gibt noch keine standardisierten Produkte und es ist enorm schwierig, sich ein Preisbild zu machen, weil viel zu wenig Angebote im Markt sind", sagt Stefan Golder, Managing Consultant bei Horvath & Partner.

Intransparente Preise

"Zudem sind die Produkte sehr komplex; es fehlt oft die Fachkompetenz bei potenziellen Kunden." Führende Versicherungskonzerne und Großbanken sind die Hauptanbieter der Wetterderivate. Verhandelt wird meist individuell und damit außerbörslich. Die Preise werden nicht kommuniziert, der Markt ist damit sehr intransparent.

Eine besondere Facette der Wetterderivate sind die so genannten Katastrophen-Bonds: Potenzielle Schäden durch Hurrikans und Erdbeben in den USA und Japan gelten unter Versicherern als Großrisiken, weil solche Katastrophen nur äußerst selten vorkommen, aber erhebliche Schäden verursachen können.

Gerne verkauft die Versicherungswirtschaft die Risiken als Anleihen weiter. Diese Katastrophen-Bonds können über Fonds auch von Privatanlegern gezeichnet werden. "Eine gute Methode, um die Risiken im Portfolio noch besser zu streuen", sagt Trüb, "denn das Wetter schert sich weder um die Konjunktur noch um den Aktienmarkt."

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