Rechtsberatung ohne Jurastudium:Der Bessere gewinnt

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Den Rechtsanwälten misshagt, dass ihr Monopol gelockert werden soll. Dabei müssen sie künftig nur beweisen, dass sie besser sind.

Daniela Kuhr

Der deutsche Rechtsstaat droht im Chaos zu versinken. Diesen Eindruck erwecken zumindest die Standesvertreter deutscher Anwälte, seit es auch bei ihnen um Liberalisierung geht.

Der Grund für die Klagen ist ein Gesetzesvorhaben von Brigitte Zypries. Mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz will die Justizministerin die Rechtsberatung auch für Nichtanwälte weiter öffnen.

So sollen zum Beispiel Mitarbeiter von Banken oder Versicherungen rechtlich beraten dürfen, wenn dies nur eine Nebenleistung zu ihrer anderen beruflichen Tätigkeit darstellt. Auch Architekten werden bei einer Baugenehmigung darauf hinweisen dürfen, dass Kunden gegen einen Bescheid Widerspruch einlegen können. Und selbst eine Kfz-Werkstatt darf nach einem Unfall in gewissem Umfang auch über die Rechtslage aufklären.

Massive Konkurrenz

Kurz gesagt: Anwälte in Deutschland bekommen massive Konkurrenz. Es leuchtet ein, dass ihnen das nicht gefällt - die Argumente, die sie gegen die Ausweitung des Wettbewerbs anführen, überzeugen allerdings weniger. Die meisten Warnungen sind völlig übertrieben - einige schlicht scheinheilig.

Die Anwälte warnen zum Beispiel vor den Folgen unqualifizierter Rechtsauskünfte. Zwar könne theoretisch auch ein Volljurist falsch beraten, doch der habe seine Haftpflichtversicherung, die den Schaden ersetze. Das sei bei Unternehmen, die Rechtsrat nur als Nebenleistung anbieten, nicht der Fall.

Der Einwand verfängt aber nicht. Nicht alles, was juristisch ist, ist automatisch auch kompliziert. Es gibt durchaus rechtliche Fragen, für deren Beantwortung man kein achtsemestriges Studium plus zweijähriges Referendariat braucht.

Fachleute für hochkomplizierte Anliegen

Warum sollen Bankangestellte solche Fragen nicht beantworten dürfen? Und wer tatsächlich ein hochkompliziertes Anliegen hat, der wird sich auch weiterhin an einen Anwalt wenden. Zumindest ist er selbst schuld, wenn er es nicht tut.

Auch vor Interessenkonflikten warnen die Juristen. Unabhängigen Rechtsrat gebe es nur bei einem Anwalt. Garantiert ist das jedoch auch bei diesem nicht. Schließlich kann es vorkommen, dass ein Rechtsvertreter es sich mit einem Gegner nicht verscherzen will, weil er auf einen Auftrag von ihm hofft.

Angeblich denken die Anwälte bei ihrer Kritik nur an die Verbraucher. Diese müssten geschützt werden. Doch das wahre Anliegen ist ziemlich offensichtlich: Ein Berufszweig hat es sich gemütlich gemacht in seiner Nische - und keine Lust auf Wettbewerb. Dabei ist die Lösung doch so einfach: Die Anwälte müssen nur beweisen, dass sie besser sind.

© SZ vom 24.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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