Rätselhafte Zurückhaltung:Es gibt Geld, und keiner geht hin

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Zwei Versicherer wollen Millionen ausschütten, doch kaum ein Kunde reagiert. Dabei winken in einzelnen Fällen mehrere Tausend Euro.

Simone Gröneweg und Stefan Hedtke

Zwei Versicherer wollen Millionen verteilen, und nur wenige Kunden holen das Geld ab. Das klingt kurios, geschieht aber gerade. So sind derzeit 300 Millionen Euro an 580.000 Kunden der ehemaligen Deutschen Beamten-Versicherung (DBV) abzugeben. Wer glaubt, die Betroffenen stehen Schlange, um sich das Bare abzuholen, liegt falsch. Der Grund: Die meisten wissen wohl gar nichts von dem unverhofften Geldsegen.

Für 344 Millionen Euro kaufte Credit Suisse der Winterthur die DBV-Anteile ab. Der Verkaufserlös daraus steht ehemaligen DBV-Kunden zu. (Foto: Foto: AP)

"Es handelt sich um einen einzigartigen Vorfall in der deutschen Versicherungsgeschichte", erklärt Hans-Joachim Krauß, Vorstandsmitglied bei der DBVÖR. Die Gesellschaft verwaltet und verteilt die Millionen. Krauß rät jedem, der bei der DBV-Lebensversicherung Kunde war, seine Unterlagen gründlich durchzuschauen.

344 Millionen Euro an die Versicherten

Gründlich sollten die ehemaligen Versicherten wirklich gucken: Vor 17 Jahren müssten sie einen Coupon erhalten haben, der sie jetzt berechtigt, ihren Anteil an den 300 Millionen Euro einzufordern. Hintergrund: 1990 wurde die DBV vom Konzern Winterthur gekauft. Den Erlös bekamen die Kunden damals gutgeschrieben. Dazu gab es noch Coupons, denn Winterthur kaufte die DBV nicht komplett. Einige Anteile blieben bei der öffentlich-rechtlichen Gesellschaft DBVÖR.

Im vergangenen Jahr griff sich die Schweizer Großbank Credit Suisse die Anteile und zahlte dafür 344 Millionen Euro. Wie bereits vor 17 Jahren sollte der Verkauferlös erneut an die 600.000 Versicherten gehen. Seit dem 1. März 2007 können die ihre Coupons gegen das Geld eintauschen, und zwar bis zum 2. März 2009. Rein rechnerisch stehen jedem fast 570 Euro zu.

Bei manchen ist es etwas weniger, bei anderen dafür mehr: Im Einzelfall können es sogar einige Tausend Euro sein, heißt es. Das hängt von der Versicherungssumme des Kunden ab.

Nur reicht kaum jemand seinen Coupon ein. "Erst 20.000 Leute haben sich gemeldet", erzählt Krauß. Das heißt, etwa 40 Millionen Euro wurden abgerufen, 300 Millionen sind noch übrig. Man habe bereits Anzeigen geschaltet, der erwartete Ansturm sei aber ausgeblieben.

Adressen fehlen

Tatsächlich sei eine solche Umwandlung in Deutschland kaum bekannt, sagt er. Aber wenn die Leute erst einmal verstanden haben, dass sie Geld bekommen, melden sie sich schon - hoffen die Verantwortlichen. Das Geld steht jedenfalls den Versicherten, genauer gesagt den Coupon-Eignern, zu - daran führt kein Weg vorbei.

Auf der Internetseite www.dbvoer.de erfahren Betroffene, was sie tun können. Einfacher wäre es natürlich, alle Betroffenen anzuschreiben. Leider fehlen die meisten Adressen. Ein knappes Drittel der Betroffenen ist noch bei der DBV-Winterthur, aber auch die bekommen keine Briefe. Die Juristen haben erklärt, alle müssten gleich behandelt werden. So bräuchte man eigentlich die Adressen aller Betroffenen, heißt es. Gerne würde man die Daten herausfinden.

Dass manche Kunden selbst dann nicht reagieren, wenn ihnen der Geldsegen direkt mitgeteilt wird, erlebt gerade das Versicherungsunternehmen Standard Life. Der ehemals größte europäische Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ging im Juli 2006 an die britische Börse. Wer vor April 2004 Kunde der Lebensversicherung war, dem steht für den Verzicht auf die Mitgliedschaft ein Ausgleich in Form von Aktien oder einer Barzahlung zu.

Aktien im Wert von 46 Millionen Euro warten

Die Betroffenen wurden mit mehreren Direkt-Mailings und Broschüren aufgeklärt. Erstaunlich, aber wahr: Knapp 42.000 frühere Versicherte in Deutschland, heute Aktionäre der Standard Life plc, haben ein Jahr nach dem Börsengang noch keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen geltend gemacht. Mehr als neun Millionen Aktien mit einem Gesamtwert von 46 Millionen Euro warten in Deutschland noch darauf, abgerufen zu werden.

Bei Standard Life ist man überrascht: "Während die britischen Anrufer der eigens eingerichteten Hotline wissen wollten, was für sie herausspringt, stellten die Deutschen eher die Frage, was es mit dem Börsengang auf sich hat", sagt eine Sprecherin. Die Betroffenen haben jedoch noch Zeit. Erst 2016 werden die Depots aufgelöst, in dem die Aktien kostenfrei verwaltet werden. Kunden können unter aktien@standardlife.de Kontakt aufnehmen.

© SZ vom 25.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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