Psychologie der Börse:Hund und Herrchen

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Warum machen sich alle so verrückt, nur wegen einer simplen Zahl? Magische Marken sind wichtig - und unwichtig zugleich.

Von Harald Freiberger und Andrea Rexer, München

Schon seit Wochen fiebern die Händler diesem Tag entgegen: Endlich durchbricht der Dow Jones die magische Marke von 20 000 Punkten. Doch warum machen sich alle so verrückt, nur wegen einer simplen Zahl?

Es gibt eine ganze Disziplin, die sich mit solchen Punkten beschäftigt: die Charttechnik. Einige Börsenkenner halten sie zwar für Hokuspokus. Doch sobald es Anleger gibt, die an Charttechnik glauben, spielt sie auch eine Rolle für den Markt. Es ist wie bei einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllt. Runde Zahlen üben eine Faszination auf die Anleger aus. Je mehr Nullen eine Zahl hat, desto mehr. Schafft es ein Index an der Börse, eine runde Zahl nachhaltig zu durchbrechen, ist der weitere Weg nach oben frei, glauben die Charttechniker. Schafft er es nicht, ist die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur nach unten groß. Dass der Dow Jones nun eine Marke mit vier Nullen durchbrochen hat, könnte eine Initialzündung auslösen, jubilieren nun einige Marktteilnehmer.

Doch was sagt eine Marke wirklich aus? Bei Lichte betrachtet ist die Antwort ernüchternd: Für sich allein genommen nicht viel - wenn die sogenannten "Fundamentaldaten" nicht in die gleiche Richtung deuten. Damit ist gemeint: Wie steht eine Volkswirtschaft da, wie ist die Konjunkturlage, wie stehen die Chancen, dass Unternehmen in Zukunft Gewinne erwirtschaften können? Der 1999 verstorbene Börsen-Großmeister André Kostolany prägte dafür das Bild vom spazierenden Herrn mit Hund: Der Hund (der Aktienkurs) läuft mal hinter dem Herrn (dem wahren Wert eines Unternehmens) her oder ihm auch voraus, aber am Ende kehrt er immer zu ihm zurück.

Und wie sieht es mit den fundamentalen Daten? Die Märkte stürzen sich seit der Trump-Wahl auf Ankündigungen wie Steurererleichterungen, staatliche Investitionen oder Deregulierung. Die Risiken blenden sie derzeit aus: Schließlich kann Trumps Devise "Amerika zuerst" in einen Handelskrieg münden, der auch der einheimischen Wirtschaft schadet.

© SZ vom 26.01.2017 / hf, rex - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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