Prozess gegen Deutsche-Bank-Chef:Das Dilemma des Josef A.

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Nicht die Anklage, sondern das Lamento darüber schadet dem Finanzstandort Deutschland: Viele in der Finanzwelt halten es für ungeheuerlich, dass ein angesehener Manager wie Ackermann vor Gericht stehen soll.

Von Karl-Heinz Büschemann

Die Financial Times hat einen tadellosen Ruf. Das Urteil der Londoner Zeitung hat internationales Gewicht. Umso mehr fällt auf, dass das rosa Blatt in einem Fall den Eindruck erweckt, mehr von missionarischem Eifer als von britischer Gelassenheit geleitet zu sein.

Der Umstand, dass ein Mann wie Josef Ackermann, 55, der Chef der Deutschen Bank, in Düsseldorf vor Gericht stehen wird, nähre Zweifel an der Reformfähigkeit Deutschlands. "Der Fall Ackermann wird in den Finanzmärkten als Test für die Bereitschaft gesehen, sich den Gepflogenheiten der internationalen Wirtschaft anzunähern", schreibt das Blatt beunruhigt. "Eine Verurteilung des Bankchefs wäre katastrophal."

Die Finanzwelt ist empört

Stünde die Zeitung mit dieser Meinung allein, könnte man die Sache vernachlässigen. Doch viele in der Finanzwelt halten es für ungeheuerlich, dass ein angesehener Manager wie Ackermann vor Gericht stehen soll, weil er als Aufsichtsratsmitglied von Mannesmann mit dafür sorgte, dass an mehrere Manager des Düsseldorfer Konzerns 111 Millionen DM als Prämien bezahlt worden waren, als sie den Konzern Anfang des Jahres 2000 an die britische Vodafone verkauften.

"Dies schadet dem Finanzplatz Deutschland", meint der Chef der HypoVereinsbank Dieter Rampl. In Frankfurts Bankenszene ist vom "Scherbengericht über die deutsche Führungsqualität" die Rede und von einem "politischen Prozess". Selbst die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sieht in der Anklage einen "Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland".

Der Fall Ackermann und der Wirtschaftsstandort Deutschland verdienen mehr Nachdenklichkeit. Es scheint, dass eher diejenigen dem Finanzplatz Deutschland schaden, die solche Äußerungen machen. In Deutschland darf niemand davor gefeit sein, angeklagt werden. Das gilt auch für die Kaste der Manager, die sich gerne für übermächtig hält.

Häufig wird kolportiert, Ackermann stehe unter Anklage, weil zum Beispiel der Mannesmann-Chef Klaus Esser damals eine Abfindung von 32 Millionen DM kassiert hätte und diese Summe unanständig hoch sei. Das sei im internationalen Vergleich ein lächerlicher Betrag. Auch habe sich Ackermann selbst nicht bereichert.

Provinzielles Deutschland?

Nur im provinziellen Deutschland könne man sich darüber beklagen, heißt es dann, und der gebürtige Schweizer sagt öffentlich: "Dafür hätte man mir in der Schweiz gratuliert."

Indes: Die Höhe der Abfindung ist nicht der Vorwurf. Die Staatsanwälte sind der Meinung, dass die Entscheidungen, die zu den Zahlungen führten, in den zuständigen Gremien nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sind - immerhin geht es um das Geld der Aktionäre. Ob dieser schwere Vorwurf berechtigt ist, wird erst das Urteil zeigen.

Hier liegt Ackermanns Dilemma, das sich daraus ergibt, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist: Er steht unter Anklage, gleichzeitig aber hat er als unschuldig zu gelten. In diesem unerfreulichen Rahmen muss er sich bewegen, ob er will oder nicht.

Er muss zur Kenntnis nehmen, dass ein Rechtsorgan ihn unter Anklage gestellt hat. Sich darüber öffentlich zu beklagen, mag persönlich verständlich sein. Aber es ist gefährlich.

Ackermann macht es sich damit vor Gericht sicher nicht leichter. Nebenbei fügt er damit genau dem Rechtssystem Schaden zu, das im internationalen Vergleich ein wichtiger positiver Faktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist.

Die Deutsche Bank in der Zwickmühle

Auch die Deutsche Bank steckt in einer besonders bösen Zwickmühle. Das Unternehmen will und muss seinen Vorstandssprecher gegen alle Vorwürfe verteidigen. Es weist daher auch den Vorschlag zurück, Ackermann wenigstens auf Zeit von seinem Posten freizustellen, weil er demnächst an zwei Tagen pro Woche im Gerichtssaal zu erscheinen habe und daher seine Führungsaufgabe nicht vollständig wahrnehmen könne. Alles andere könnte als Schuldeingeständnis ausgelegt werden.

Doch damit ist das Problem für die Bank nicht gelöst. Auch nicht dadurch, dass sie erklärt, Ackermann habe die Bank so gut organisiert, dass sie ein paar Tage in der Woche ohne ihn auskommen könne. Das Düsseldorfer Verfahren, in dem es ja auch noch um fünf andere Ex-Mannesmänner geht, wird möglicherweise zwei Jahre dauern, von den Medien aber vornehmlich als Ackermann-Prozess wahrgenommen werden.

Zweimal pro Woche werden Berichte über Taten und Unterlassungen des Deutsche-Bank-Chefs in der Causa Mannesmann durch Fernsehen und Zeitungen gehen. Für die einzige internationale Bank in Deutschland führt das zu einem extremen Imageschaden - und damit auch zu einer Belastung für den Finanzplatz Deutschland.

Aktionäre und Aufsichtsrat der Deutschen Bank sind nicht zu beneiden. Wahrscheinlich aber wäre der Schaden für alle geringer, wenn die Bank sich entscheiden könnte, Ackermann wenigstens auf Zeit von seinen Aufgaben als Chef zu entbinden. Noch besser wäre es, wenn er selbst diesen Schritt ginge.

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