Premiere-Börsengang:Ein besonderes Kursbuch

Lesezeit: 3 min

Die spannende Lektüre des Börsenprospekts der Premiere AG.

Hans-Jürgen Jakobs

Das Buch hat 360 Seiten, ist an vielen Stellen spröde, bietet aber auch Spannendes. So spannend, dass wenig in dieser Güte derzeit über das TV-Geschäft publiziert wird.

Anwälte haben fleißig mitgeschrieben, und manchmal ist die Handschrift des dynamischen Vorstandschefs Georg Kofler zu erkennen. Der Titel ("Verkaufsprospekt") ist eher nüchtern gehalten.

Alle Mühe gilt dem Willen, die Münchner Premiere AG als rundum saniertes Unternehmen zu beschreiben, das den Aufstieg aus der Asche des Leo-Kirch-Konzerns geschafft hat und deshalb womöglich mit seiner Zentrale auf jenen Bauplatz in Unterföhring zieht, den Kirch einst als Standort für sein Hauptquartier ausgeschaut hat.

Kofler, der Held dieser 360-Seiten-Schrift, hat die Zahl der Abonnenten gesteigert, die Einkaufspreise für Hollywood-Filme sowie Bundesliga-Spiele gesenkt und mit dem technischen Monopol Schluss gemacht.

Der traditionelle Defizitsender Premiere machte 2004 sogar - vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen - 83 Millionen Euro Gewinn. "Angepasstes Ebitda" heißt es in dem Prospekt, wobei unter dem Strich nach wie vor 80,6 Millionen Verlust anfielen (2003: minus 205 Millionen Euro). Vergleichbar ist wenig an diesen Zahlen.

Eine tolle Geschichte also für eine Firma, die am 9. Januar 2002 als Blitz 02-134 GmbH gestartet war und im Februar 2003 das alte Premiere Fernsehen übernommen hat.

Umschuldungsaktion

Doch wer sich in dieses durchaus eindrucksvolle Kursbuch vertieft, staunt immer wieder, dass die aus dem Börsengang am nächsten Montag erhoffte Milliarde dem Tilgen alter Schulden dienen soll - damit dann besser neue Kredite genutzt werden können. Diese Aktie dient also der größten Umschuldungsaktion, die der Kapitalmarkt seit langem gesehen hat. Da müsste selbst Hans Eichel Respekt zollen.

Mit den vermutlich mehr als 300 Millionen Euro aus einer Kapitalerhöhung soll nach dem Börsengang ein alter Betriebsmittelkredit über 155 Millionen Euro und eine Alt-Verpflichtung bei Pay-TV-Empfangsgeräten ("Decoder") über 255 Millionen Euro zurückgeführt werden. Da eine Lücke klafft, muss frisches Geld her: Am 18. Februar, also drei Tage vor der Premiere-Pressekonferenz zum Börsenplan, sicherte sich Kofler gleich den nächsten Großkredit.

Wie ehedem ist im Kredit-Konsortium die Münchner HypoVereinsbank in führender Rolle dabei; deren Vorstandsmitglied Stefan Jentzsch zieht in den Aufsichtsrat der Fernsehfirma ein. Nur für die bei Premiere ebenso stark engagierte Bayerische Landesbank ist jetzt offenbar die HSH Nordbank aktiv, die aus der Fusion der Landesbanken in Hamburg und Kiel hervorgegangen ist.

Das Kreditvolumen ist immens: bis zu einer halben Milliarde. 120 Millionen stehen dem Management sofort zur Verfügung. Dafür reden die Banken bei wichtigen Fragen mit.

Es werde Premiere "nur beschränkt gestattet sein, bestimmte Handlungen ohne vorherige Zustimmung der Kreditgeber vorzunehmen, wenn bestimmte betragsmäßige Schwellenwerte überschritten werden", formulieren die Autoren.

Einziges Problem ist, dass Premiere viele Sicherheiten für die halbe Milliarde bieten muss - und dabei noch vom Wohlwollen des Finanzamts München IV abhängt. Zur Begleichung einer strittigen Steuerschuld aus alter Kirch-Zeit hat die Pay-TV-Firma nämlich bereits Sicherheiten bereitgestellt.

Eigentlich forderte der Fiskus 45 Millionen Euro, doch dann wollte er per Steuerbescheid vom August 2004 nur 27,1 Millionen. Die Behörde verzichtete auf Vollziehung, nachdem Premiere Sicherheiten geboten hatte. Kofler legte Protest ein; es gibt eine Absprache darüber, dass die Schuld abgestottert wird.

Auf den Markt kommen auch Aktien aus den Beständen von Kofler und der Kapitalgesellschaft Permira. Zusammen halten die Partner bisher die Mehrheit.

Nun zahlen sie über Verkäufe der Aktie Premiere bis Silvester 2010 jenen gigantischen Altkredit zurück, den Altbesitzer Kirch einst von der Bayerischen Landesbank, der HypoVereinsbank und der Bawag in Wien erhielt. Er betrug rund 800 Millionen Euro und war Teil des Kaufpreises für die Premiere-Erwerber Permira und Kofler.

Im September und Dezember 2004 wurde ein großer Teil dieser Summe ("Mezzanine-Kredit") aus der Bilanz der Premiere AG heraus verlagert - auf Finanzfirmen in Luxemburg. Dabei handelt es sich, wie jetzt in dem Börsenbuch zu lesen ist, bei Kofler um die Firma "Fernseh-Holding" sowie bei Permira um die "Fernseh Finanz-Holding".

Die anderen Mitgesellschafter - die alten Kreditbanken - sitzen in der "Fernseh-Holding III". An Holdings ist im Großfürstentum kein Mangel. Überraschend ist, dass von der alten 800-Millionen-Last nur 561,5 Millionen Euro den Weg nach Luxemburg gefunden haben.

Darüber hinaus findet sich im Premiere-Prospekt unter dem Titel "Eventual-Verbindlichkeiten" und dem Posten "abstraktes Schuldversprechen" noch der Betrag von 256 Millionen Euro. Er wird bei Sonder-Ereignissen fällig, etwa wenn Dritte die Mehrheit an Premiere übernehmen.

So oder so: Permira und Kofler werden zur Rückzahlung des Mezzanine-Kredits immer wieder Aktien auf den Markt werfen - was den Kurs nach unten bringen könnte und im Kapitel "Risiken" nicht verschwiegen wird.

Im Dezember 2002 hatten Premiere, Kofler, Permira und die Banken einen "Investitions- und Beteiligungsvertrag" unterzeichnet. Nach dem warmen Regen an der Börse soll ein neuer her. Fortsetzung folgt.

© SZ vom 03.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: