Preisfrage:Im Laden oder Online

Lesezeit: 3 min

Bestellungen im Ausland oder im Netz sind oft etwas günstiger, weil die Kosten niedriger sind. Aber ohne Experten geht es nicht.

Von Jan Schwenkenbecher, München

Die Sehstärke stimmt nicht mehr, die Gläser sind kaputt oder man hat die Brille einfach verloren - alle paar Jahre steht für Deutschlands 40 Millionen Brillenträger der Kauf einer neuen Sehhilfe an. Doch wo bekommt man die passendste Brille zum günstigsten Preis? Beim alteingesessenen Stadt-Optiker, bei einer großen Kette, im Internet oder im osteuropäischen Ausland?

"Im Grunde hat ein durchschnittlicher Augenoptikbetrieb ein Drittel Materialkosten, ein Drittel Personalkosten und ein knappes Drittel sonstige Kosten wie Strom, Miete, Gas oder Wasser", sagt Stephan Degle, Professor für Optometrie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. "Wie viel Dienstleistung bei der einzelnen Brille im Preis für die Gläser oder in dem für die Fassung eingerechnet wird, das kann variieren" sagt Degle. "Im Mittel für alle Brillen ergibt sich jedoch ein Faktor drei plus Mehrwehrtsteuer, denn der Gewinn eines Augenoptikbetriebs ist in der Regel nur im einstelligen Prozentbereich. Diese Daten sind sehr belastbar." Bei günstigen Brillen, die oft zum Komplettpreis angeboten werden, und auch bei hochwertigen Brillen verschieben sich allerdings oft die Anteile, da Materialpreise stärker variieren als die Dienstleistungsanteile.

Große Filialisten können dabei auf ihre Marktmacht setzen. Fielmann etwa, die explizit damit werben, dass es ihre Brillen nirgends günstiger gibt, machten 2017 mit etwas über einer Milliarde Euro Umsatz ein Sechstel des 6,1 Milliarden Euro großen Branchenumsatzes aus. Das geht aus dem Branchenbericht des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) hervor. Mit etwas mehr als acht Millionen verkauften Brillen im vergangenen Jahr kann Fielmann bei den Herstellern von Gläsern günstiger einkaufen. Doch auch kleinere Optiker sind nicht auf sich allein gestellt. Viele von ihnen sind in Einkaufsgruppen organisiert - die größte von ihnen umfasst beinahe 2000 Betriebe - und können damit ebenfalls Gläser in Massen abnehmen.

Angesichts der Aufteilung der Kosten liegt nahe, dass Internethändler, die keine Filialen in Fußgängerzonen besitzen, und Optiker in Polen oder Tschechien, wo Lohnkosten und Kaufkraft niedriger sind, weniger "sonstige Kosten" haben. Die günstigste Ray-Ban-Sonnenbrille kostet im deutschen Online-Shop 142 Euro, im polnischen ist sie etwa zehn Euro billiger. "Wir können Brillen tatsächlich günstiger anbieten als der stationäre Handel", betont Katharina Berlet vom Online-Brillenhändler Mister Spex. Das liege an günstigeren Einkaufskonditionen, weil die Mengen abgenommener Gläser und Fassungen viel größer ausfielen als bei herkömmlichen Optikern, aber vor allem auch an automatisierten Prozessen in der Logistik sowie an den deutlich geringeren Personalkosten der Online-Anbieter.

Schwierig wird es für die Internethändler allerdings, wenn es nicht um Sonnenschutz, sondern um Sehhilfen geht. Dann muss die Brille perfekt zum Auge und aufs Gesichtsfeld passen. Ein Optiker kann direkt am Kunden verschiedenste Parameter wie etwa die Pupillendistanz, also den Abstand zwischen Pupille und Nasenrücken messen und die genaue Einschleifhöhe der Gläser festlegen, die sich erst aus der genauen Position einer Brillenfassung im Gesicht ergibt. Er weiß, welcher Brillenglastyp aus der Vielzahl an Möglichkeiten am besten zum Autofahren oder Lesen passt und wann die Fassung auf Ohr und Nase richtig sitzt. "Das können Online-Händler so in der Form nicht", sagt Lars Wandke vom Zentralverband der Optiker und Optometristen, man könne "getrost von Qualitätsunterschieden sprechen".

Mister Spex sieht das natürlich etwas anders: "Bei uns arbeiten rund 100 Augenoptiker, unter anderem in unserer Meisterwerkstatt in Berlin, aber auch in unserem Kundenservice." Sie prüften jede Bestellung und meldeten sich bei Bedarf beim Kunden zurück, zum Beispiel mit dem Rat, dass noch einmal ein Partneroptiker konsultiert werden solle vor der Bestellung. "Dazu arbeitet Mister Spex in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Schweden und den Niederlanden mit einem Netzwerk von über 500 Partneroptikern zusammen", so eine Unternehmenssprecherin.

Dass auch Online-Händler mit stationären Optikern kooperieren, zeigt, wie komplex es ist, richtig zu messen. Kennt man seine Sehstärke exakt oder möchte die verlorene Brille nur eben nachbestellen, kann man bei einer simplen Einstärkenbrille für die Fernsicht oder den Arbeits-PC im Internet durchaus ein paar Euro sparen. Kennt man sie nicht oder handelt es sich um aufwendigere Gleitsichtbrillen, kommt man meistens um den Besuch beim Experten nicht herum.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: