Preisabsprachen:Hoechst-Strafe

Lesezeit: 2 min

Der Chemieriese Aventis muss ein Bußgeld von 99 Millionen Euro zahlen. Die Vorgängergesellschaft Hoechst hat nach Auffassung der EU-Kommission einem der dreistesten Kartelle angehört, die bisher bekannt sind.

Von Alexander Hagelüken

(SZ vom 02.10.03) - Sorbate sind ein sehr erfolgreiches Produkt. Die Konservierungsmittel finden sich in Mayonnaise, Würstchen, Getränken oder Kosmetik, wo sie Bakterien- und Schimmelbildung verhindern. Der Hoechst-Konzern und andere Hersteller waren Ende der siebziger Jahre nur mit einem unzufrieden: Sorbate waren ihnen zu billig. Also verabredeten sie, den lästigen Wettbewerb zu beenden.

Gewöhnlich zweimal im Jahr trafen sich die Manager an diskreten Orten in Europa und Japan und teilten den Markt unter sich auf. Sie vereinbarten genau, wer wie viel produzieren durfte und welchen Preis sie verlangten. Ein schönes Geschäft - bis Brüsseler Fahnder die Spur aufnahmen.

"Eines der dreistesten Kartelle"

So hat nach Darstellung von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti eines der dreistesten Kartelle agiert, die bisher bekannt sind. Demnach begannen die Chemiemanager ihre Preisabsprachen im Dezember 1978 und setzten ihre Kungelei volle achtzehn Jahre lang fort.

Die Verlierer waren Europas Konsumenten. "Die Verbraucher haben durch diese Verschwörung mehr für viele Alltagsprodukte bezahlt, als wenn es Wettbewerb gegeben hätte", ärgert sich Monti. Er verhängte gegen den Hoechst-Konzern am Mittwoch ein Bußgeld von 99 Millionen Euro, eine der höchsten Strafen aller Zeiten. Drei japanische Firmen müssen ebenfalls zahlen.

Deutsche Konzerne geraten immer wieder ins Visier der europäischen Wettbewerbshüter. BASF wurde zu einer Strafe von fast 300 Millionen Euro verurteilt, weil die Firma den Vitaminmarkt manipuliert hatte. Daimler-Chrysler und VW zahlten für restriktive Praktiken beim Autoverkauf.

Richtig zur Kasse gebeten

Seit zwei Jahren knackt Kommissar Monti deutlich mehr Kartelle, weil er seine Strategie, nach amerikanischem Vorbild, umgekrempelt hat. "Früher waren die Strafen so niedrig, dass uns die Unternehmenschefs beinahe ausgelacht haben", erinnert sich ein Insider. Heute bittet Monti richtig zur Kasse - und lockt die Kartellbrüder gleichzeitig mit einer Kronzeugenregelung. Wer als Erster auspackt, entgeht der Millionenstrafe.

Dieser Anreiz sät selbst bei den verschworensten Dunkelmännern Zwietracht. Auf diese Weise gelangen die Fahnder an Beweise, die sie sonst vielleicht nie fänden. So war es auch beim Sorbat-Kartell. Das japanische Unternehmen Chisso kooperierte mit Monti und entging deshalb jeder Strafe.

Grundsätzlich sind Kartelle schwer zu knacken, weil alle Mitglieder stark profitieren und der Kreis oft klein bleibt. Im Sorbat-Fall hatten die fünf beteiligten Unternehmen in Europa zeitweise einen Marktanteil von 85 Prozent. Die Strafe für Hoechst fällt auch deshalb so hoch aus, weil es für die Frankfurter nicht die erste Kartellstrafe ist.

Aventis hält sich bedeckt

Das im deutsch-französischen Aventis-Konzern aufgegangene Unternehmen hält sich zu den Vorwürfen bedeckt. Es sei noch nicht entschieden, ob man gegen Brüssel klage, um die Strafe zumindest zu reduzieren.

Die EU-Kommission wendet sich inzwischen den nächsten Fällen zu. "Bei unseren Attacken auf Kartelle haben wir erst die Spitze des Eisbergs erfasst", glaubt Montis Generaldirektor Philip Lowe. "Der finanzielle Anreiz für solche Praktiken ist nach wie vor hoch." Nur das erwischte Unternehmen weiß, ob ein Kartell trotz saftiger Geldbuße unterm Strich nicht doch ein schönes Geschäft war.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: