Praxisgebühr:Unglückliche Worte

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Bei der Praxisgebühr begegnet Sozialministerin Schmidt immer neuen Schwierigkeiten. Zum Teil trägt sie dafür selber die Verantwortung.

Von Andreas Hoffmann

Irgendwie dumm gelaufen, die Sache mit dem Interview. "Wackelt die Praxisgebühr", hatte die Bild-Zeitung am Montag getitelt und bezog sich auf ein Interview von Sozialministerin Ulla Schmidt mit der Leipziger Volkszeitung. Darin hatte die SPD-Politikerin bekräftigt, dass die Kassen die umstrittene Praxisgebühr den Patienten eventuell erlassen können.

Allerdings wählte Frau Schmidt ihre Worte unglücklich. Sie sagte, sie wolle nicht darauf wetten, dass es die Gebühr in der heutigen Form noch in fünf Jahren geben werde. Prompt entstand der Eindruck, Schmidt wolle die Gebühr kippen.

Medien-Stürme

In Berlin springt in solchen Momenten dann die Medienmaschine an. Die Opposition in Person des CDU-Sozialexperten Andreas Storm wunderte sich, dass "die Ministerin nun ein Herzstück der Reform selber in Frage stellt". Schmidts Reformpartner, der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer, warnte vor überstürzten Korrekturen.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering beeilte sich erneut zu sagen, dass die Gebühr nicht geändert werde, und Schmidts Sprecher versicherte: "Die Praxisgebühr wackelt und wankt nicht." Viele Worte um wenig Neues. Aber in diesen Tagen, nach dem Rücktritt des Kanzlers vom Parteivorsitz, ist Rot-Grün nervös geworden.

Der Hick-Hack um den Start der Gesundheitsreform und der Stopp der Pflegeversicherungspläne hat Ulla Schmidt in die Kritik gebracht. Ihr Name fällt immer öfter, wenn es um die Minister geht, die bald das Kabinett verlassen sollen.

Managementfehler

Man lastet ihr Managementfehler bei der Einführung der Reform an. Andere in der Regierung sagen, dass Schmidt früher "schwere Niederlagen weggesteckt" habe und sich erholen werde. Nur die jüngste Posse zur Praxisgebühr hat Schröders Vertrauen in seine Ministerin kaum gestärkt, heißt es auch in der Regierung.

Auch in der Sache werden sich die Bürger gedulden müssen, bis ihnen AOK und Co. die Gebühr teilweise erlassen. Die Gesundheitsreform sieht dafür Auflagen vor. So müssen sich die Patienten etwa in ein so genanntes Hausarztmodell einschreiben.

Dabei müssen sie sich gegenüber ihrer Kasse verpflichten, stets zuerst den Hausarzt aufzusuchen, der sie dann an Fachärzte weiter schickt. Schmidt will so Kosten sparen, weil Doppeluntersuchungen wegfallen. Das Problem: Bislang gibt es kaum Hausarzt-Modelle in Deutschland.

Die AOK Baden-Württemberg will ein solches Projekt in ihrer Region testen, ähnliches erwägt die DAK für ihre Mitglieder. Für diese Hausarzt-Modelle müssen die Kassen mit den regionalen Ärzte-Verbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), Verträge abschließen.

Probleme beim Hausarzt-Modell

Das ist schwierig, weil die teilnehmenden Hausärzte besonders qualifiziert sein sollen. Unklar ist auch die Geldfrage. Denn die Kassen wollen die Modelle aus dem allgemeinen Honorartopf zahlen, die Ärzte verlangen dagegen Extrageld.

Etwas besser sieht es für chronisch Kranke aus. Wer sich etwa als Zuckerkranker in ein spezielles Behandlungsprogramm einschreibt, kann die Praxisgebühr erlassen oder rückerstattet bekommen. Acht von den 17 AOK hier zu Lande bieten bereits solche Vergünstigungen an, wie auch andere Kassen, etwa die Barmer.

Dennoch dämpft mancher Kassenmanager allzu große Hoffnungen auf Nachlässe bei der Gebühr, weil damit den Kassen auch Geld fehle. Ein Insider sagt: "Für uns muss sich das schon rechnen."

© SZ vom 17.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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