Postbank-Börsengang:Nagelprobe für den Finanzplatz

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Neulinge an der Börse haben es hier zu Lande schwer. Umso wichtiger wäre ein Erfolg der Postbank. Ende Juni will sich die Post-Tochter aufs Parkett wagen. Am Montag beginnt die Zeichnungsfrist.

Von Silvia Liebrich

Das Geschäft mit Börsengängen in Deutschland kommt nicht so recht in Gang. Seit dem Beginn der Talfahrt an den Aktienmärkten im Frühjahr 2000 ist es für Unternehmen extrem schwierig geworden, auf diesem Weg frisches Kapital zu besorgen.

Beinahe zwei Jahre lang wagte sich kein einziges Unternehmen an die Börse — bis vor zwei Wochen, als mit dem ostdeutschen Fahrradhersteller Mifa und dem Geldautomatenanbieter Wincor Nixdorf zwei relativ unbekannte Firmen den Sprung schafften.

Zu wenig Käufer, zu kleine Preise

Glücklos waren dagegen die Halbleiterhersteller X-Fab und Siltronic sowie die Servicekette Auto-Teile-Unger. Sie mussten ihre Börsenpläne auf Eis legen, weil sich nicht genügend Käufer für ihre Aktien fanden oder sie selber ihre Preisvorstellungen nicht realisieren konnten.

Wie düster die Lage in Deutschland ist, zeigt ein Blick in die große weite Börsenwelt: Zwar gingen Wirtschaftsflaute und Kursverfall auch an den wichtigsten internationalen Aktienmärkten New York und London nicht spurlos vorüber. Doch einen Stillstand wie hier zu Lande gab es nicht.

Wieder bergauf

Seit gut einem Jahr läuft das Geschäft wieder rund. Alleine in den übrigen europäischen Ländern wurden von Januar bis Ende März 2004 mehr als 50 Erstnotizen registriert, vier Mal so viele wie im ersten Quartal des Vorjahres.

Umso größere Hoffnungen ruhen nun auf dem Börsengang der Postbank, dem größten Ereignis dieser Art seit der Erstnotiz der Muttergesellschaft Deutsche Post im November 2000.

Kapitalmarkt braucht gute Neuemissionen

Vom Erfolg dieser Platzierung hängt viel ab, nicht nur für den Bonner Konzern, sondern für den Finanzplatz Deutschland insgesamt.

"Zu einem vernünftigen Kapitalmarkt gehört auch ein florierendes Neuemissionsgeschäft. Daher ist es sehr wichtig, dass dieser Börsengang ein Erfolg wird", sagt Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Eigenkapital-Beschaffung

Für viele Kandidaten, die seit einiger Zeit in den Startlöchern stehen, wird es langsam eng. Sie brauchen dringend Geld, um weiteres Wachstum zu finanzieren.

"Ab einer bestimmten Größenordnung gibt es für ein Unternehmen keine sinnvolle Alternative zur Beschaffung von Eigenkapital", sagt Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck von der European Business School.

Signalwirkung der Postbank

Ein Erfolg der Postbank könnte das Einstiegssignal sein, auf das viele Unternehmen warten. Denn nur eine Aktienausgabe in dieser Größenordnung ist nach dem Debakel am Neuen Markt geeignet, die Masse der Privatanleger wieder anzusprechen.

Das einstige Vorzeigesegment der Börse hatte in den sechs Jahren seines Bestehens mehr als 400 junge Firmen angezogen. Nie zuvor wurden in Deutschland so viele Neulinge in so kurzer Zeit an der Börse notiert.

Anleger sind risikoscheu

Doch Betrugsskandale, Firmenpleiten und der beispiellose Kurssturz beschädigten das Vertrauen in die Aktie als Anlageform. Am Ende wurde der Neue Markt geschlossen. "Viele Anleger sind einfach maßlos enttäuscht worden und scheuen nun jedes Risiko", sagt Ulrich Hocker.

Nach diesen Erfahrungen werden Börsenkandidaten besonders kritisch beäugt. Dass diese Vorsicht angebracht ist, hat sich inzwischen gezeigt. Im Fall von X-Fab unterliefen der für die Betreuung zuständigen Investmentbank ING so gravierende Pannen, dass der Börsengang platzte.

Auch die Kunden entscheiden

Dies zeigte auch, dass die einst mächtigen Investmentbanken — und damit die an die Börse drängenden Unternehmen und ihre Berater — inzwischen nicht mehr am längeren Hebel sitzen.

Ob der Sprung an die Börse gelingt, entscheiden nun vielmehr Investmentfonds und Vermögensverwalter — und damit letztlich die Kunden.

Vor allem die Fonds versuchen, die Preise für neue Aktien so weit wie möglich zu drücken, um sie selber günstig einkaufen und verteilen zu können.

Abschläge für Börsen-Neulinge

Neue Unternehmen an der Börse müssen so häufig Abschläge von zehn bis 15 Prozent gegenüber Wettbewerbern hinnehmen, die bereits gehandelt werden.

Aus Sicht der Fonds ist dies unumgänglich, schließlich ist das Börsenumfeld nach wie vor anfällig und lässt für die nächste Zeit keine nennenswerten Kurszuwächse erwarten.

Mitunter geht die Rechnung jedoch nicht auf. Als die Servicekette Auto-Teile-Unger (ATU) an die Börse drängte, wollten einzelne Investmentfonds den Preis der Aktie um bis zu 30 Prozent drücken. Für ATU-Chef Werner Aichinger war damit die Schmerzgrenze überschritten — er sagte den Börsengang ab.

Werbewirksamer Schaukampf

Auch im Fall der Postbank wird nun darüber gestritten, wie hoch oder niedrig die Aktie bewertet wird. Vor allem das Gerangel zwischen dem Eigner Deutsche Post und der Deutschen Bank, die das für den Börsengang zuständige Bankenkonsortium anführt, sorgte für Wirbel.

Für Anlegervertreter Hocker hat die Auseinandersetzung allerdings viel von einem Schaukampf: "Eine bessere Werbung als lange Artikel in allen Zeitung kann es für den Börsengang gar nicht geben."

© SZ vom 05. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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