Post:Raffinesse der Freiwilligkeit

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Wie die Post aufgebrachte Politiker austrickst: Sie erklärt sich zu Maßnahmen bereit, zu denen sie ohnehin bereits weitgehend verpflichtet ist.

Von Gerhard Hennemann

Wenn sich die Post jetzt freiwillig dazu bereit erklärt, die ihr nach Gesetz auferlegten postalischen Grundleistungen nicht weiter zu verschlechtern, sondern sogar marginal zu verbessern, dann dürfte das vermutlich auch den naivsten Postkunden misstrauisch machen.

Praktisch: Briefkasten, wie hier in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: AP)

Hat er nicht schon tatenlos mit ansehen müssen, wie ihm der Briefkasten an der nächsten Straßenecke abgeschraubt und die Postfiliale in seinem dörflichen Tante-Emma-Laden ohne Vorwarnung geschlossen wurde ?

Nur zwei Beispiele von vielen, die immer noch im postalischen Alltagsgeschäft zwischen Flensburg und Konstanz am Lack des Bonner Konzerns kratzen, der sich ansonsten so gern als strahlender Global Player präsentiert.

Zähe Strategie

Zugegeben, die Post ist tatsächlich auf gutem Wege, sich zum Weltmarktführer im Bereich der Logistik zu entwickeln, was sie in erster Linie der zähen Strategie ihres Chefs Klaus Zumwinkel zu verdanken hat.

Dennoch verfolgen insbesondere die Börsianer mit Argusaugen alle Aktivitäten, die die Post außerhalb ihres "World Net" unter der Knute des Gesetzgebers erbringen muss und die unter dem Strich nur ihr Ergebnis belasten.

Ganz zu schweigen von den Negativschlagzeilen, die ihr der tägliche Kleinkrieg um Servicemängel und Leistungseinschränkungen unter tätiger Mithilfe der Politiker einbringt.

Geschickt

Es war deshalb zweifellos geschickt, dass sich die Post jetzt unter dem wachsenden Druck der Politik - angeführt von den Ländern Hessen und Niedersachsen - zu etwas bereit erklärte, zu dem sie ohnehin schon weitgehend verpflichtet ist.

Noch geschickter aber war die Begründung, die sie für ihre Freiwilligkeit mitlieferte. Nämlich dass sie auf diese Weise eine weitere Verbürokratisierung und Überregulierung des Postwesens verhindern wolle, die ihr sonst nur noch zusätzliche Kosten aufbürden würde.

Die Raffinesse der Aktion Freiwilligkeit wird auch noch bei einem anderen Problem deutlich, das die Post besonders stark beschäftigt.

So erklärt sich der gelbe Riese zwar großmütig dazu bereit, insgesamt 12.000 stationäre Filialen ganzjährig an sechs Werktagen geöffnet zu halten. Der Pferdefuß dieser Zusage folgt freilich schon im nächsten Satz, denn die Öffnungszeiten in den besonders heiß umkämpften Filialen auf dem Lande sollen bedarfsgerecht um 50 Prozent über der tatsächlichen Kundennachfrage liegen.

Selbst entscheiden, welche Nachfrage genehm ist

Das aber heißt nichts anderes, als dass die Post letztlich selbst darüber entscheiden kann, welche Nachfrage ihr genehm ist und welche nicht.

Denn wenn sie - wie es heute auf dem flachen Land schon fast die Regel ist - nur noch Öffnungszeiten von täglich ein bis zwei Stunden zulässt, die preiswert mit 400 Euro-Leuten abgedeckt werden können, dann setzt sie damit automatisch eine Abwärtsspirale in Gang.

Der nächste Schritt ist dann logischerweise die Feststellung, dass Filialen mit derart unattraktiven Öffnungszeiten praktisch gar keine Nachfrage und folglich auch keine Existenzberechtigung mehr haben.

Um dennoch den Mindestbestand von 12.000 Filialen vorweisen zu können, hat der Konzern vorgesorgt und als Manövriermasse rund 1000 Quelle-Shops kurzerhand zu Niederlassungen erklärt. Zwar sind die meisten von ihnen überflüssig, aber sie kosten weitaus weniger als die Tante-Emma-Läden auf dem Lande.

© SZ vom 07.04.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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