Portrait:Vater der deutschen Potenzpille

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Der Bayer-Forscher Erwin Bischoff schuf Levitra, die nun in den USA als Konkurrenz zu Viagra auf den Markt kommt.

Von Michael Kläsgen

(SZ vom 21.08.2003) — Für Forscher gebe es ja nicht viel zu feiern, meint Erwin Bischoff. Deswegen war der gestrige Mittwoch ein besonderer Tag für ihn. Am Vormittag hatten der 60-Jährige und seine Kollegen eine E-Mail vom Chef für internationale Entwicklung erhalten.

Der lud zu einer kleinen Feier am Mittag in die Kantine auf dem Forschungsgelände von Bayer in Wuppertal ein. Der Grund: Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hatte kurz zuvor grünes Licht für die Einfuhr von Levitra gegeben, der Potenzpille von Bayer. Und die hat Erwin Bischoff entwickelt.

Der weißhaarige Mann mit dem Vollbart, der etwas von einem zerstreuten Professor hat, kann sich noch gut daran erinnern, wie ihm vor fast zehn Jahren die Idee gekommen war, so eine Pille für den Mann zu erfinden. Der gelernte Biologe war eigentlich auf Herz-Kreislauf-Forschung spezialisiert und bei Bayer Leiter der Abteilung.

Auf einer Reise nach Israel erzählten ihm die Kollegen des Weizmann Instituts von den verblüffenden Ergebnissen, die sie erzielten, als sie eine bestimmte weiße Salbe auf die Penisse von Ratten schmierten.

Das Geheimnis von Enzym PDE5

Zurück in Wuppertal überzeugte Bischoff seine Vorgesetzten davon, mal zu untersuchen, wie das funktioniert. "Aber das Zeug ging gar nicht durch die Haut." Weder beim Karnickel noch beim Menschen. Der Vater von drei Kindern entschied sich, dem geheimnisvollen Enzym PDE5 auf die Spur zu kommen.

Denn das war wohl auch in der mysteriösen Salbe, und außerdem wusste Bayer, dass der US-Konkurrent Pfizer ebenfalls an diesem Enzym forschte, ursprünglich, um ein Herz-Kreislauf-Mittel zu entwickeln. "Doch als sie sich die Wirkung des Präparats anschauen wollten, sahen sie etwas ganz anderes", erzählt der aus Tübingen stammende Bischoff leicht schwäbelnd.

Viagra war geboren. Später folgte Cialis von den US-Konzernen Eli Lilly und Icos. Dann kam Levitra. In 50 Ländern ist die Tablette bereits zugelassen. Aber: "Amerika, das ist schon was", sagt Bischoff: Der größte Markt und die Heimat der Konkurrenz.

"Ein echter Technologiesprung"

Bischoff hielt das Produkt schon 1997 in der Hand. Allerdings nur drei Gramm davon. "Ein echter Technologiesprung" sei nötig, erklärt Bischoff, um daraus ein Kilo herzustellen. Es folgte eine lange Zeit mit Tests an Tieren und Freiwilligen, darunter 14 Bayer-Mitarbeiter. Auch die Vermarktung dauerte.

Viel Überzeugungsarbeit war nötig. Bei Bayer war das Projekt umstritten. Auf Kongressen musste der Konzern Ärzten beibringen, über Impotenz zu reden. Aber selbst Vortragenden sei es schwer gefallen, "Penis" statt "Zielorgan" zu sagen, erinnert sich Bischoff.

Das liegt lang zurück. "Aber es bewegt einen immer noch." Wie damals sitzt Bischoff im hinteren Eckzimmer der Herz-Kreislauf-Forschung auf dem Campus in Elberfeld. Sein Büro ziert eine Bayer-Pyramide, die Mitarbeiter für besondere Verdienste erhalten. Für die kleine Party hatte sein Chef eine "Levitra-Torte" angekündigt.

Selbstverständlich war sie in Form und Farbe unverfänglich, erzählt Bischoff hinterher. Das wars dann auch. Die Arbeit ruft. Bischoff forscht jetzt an einem anderen Wirkstoff gegen erektile Dysfunktionen.

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