Portrait:Ein amerikanischer Schwabe

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Was den bisherigen IBM-Manager Walter Raizner an der Telekom reizt.

Von Dagmar Deckstein

Es ist eine Sache, für einen zentralistisch organisierten Weltkonzern als Deutschland-Statthalter mit begrenztem Gestaltungsrahmen den Exekutor zu geben. Und es ist eine andere Sache, in einem vergleichsweise jungen deutschen Telekommunikationskonzern mit Geschäftsfeldverantwortung den Umbau voranzutreiben.

Walter Raizner. (Foto: Foto: ddp)

Keine Frage also, warum sich Walter Raizner nach 20 Jahren bei "Big Blue" IBM und nur knapp zwei Jahren an der Spitze der Stuttgarter Deutschland-Zentrale zur Telekom abwerben ließ. Mitarbeiter berichten gar, dass sie ihren Chef bei einer internen Tagung Ende Juli gelöst und locker wie nie in diesen letzten beiden Jahren erlebt hätten. Da wusste Raizner wohl schon, dass er die längste Zeit auf dem deutschen Chefsessel des amerikanischen Computerriesen gesessen hatte.

Feudaler Vorstandsflur

Seinen spartanischen Schreibtisch im IBM-Großraumbüro wird er am 1.November gegen einen ganzen, feudalen Vorstandsflur in der Bonner Telekom-Zentrale eintauschen.

Als Chef der Sparte Breitband/Festnetze wird Raizner zwar mit dem Massenkundengeschäft Neuland betreten, aber eben auch operative Verantwortung übernehmen. Die hatte er, zwar formal für 26.000 Mitarbeiter zuständig, bei der vorwiegend im Großkundengeschäft tätigen IBM Deutschland nicht.

Immerhin hat Raizner eine für einen Deutschen ungewöhnlich steile Karriere im amerikanischen Mutterkonzern hingelegt. 1984 heuerte der Betriebswirt bei IBM Deutschland an, 1995 startet er dann seine internationale Karriere in der Konzernzentrale in Armonk im Stab von Ned Lautenbach, der weltweit den Vertrieb leitet.

Internationale Positionen

Ein Jahr später übernimmt er für kurze Zeit den Hardware-Vertrieb in Deutschland, um dann aber wieder in internationale Positionen in London und Armonk zu wechseln, wo er bis zum General Manager für das weltweite Speichergeschäft aufsteigt.

Vom Vertrieb über Marketing und Produktion bis zur weltweiten Verantwortung für die Strategie im Geschäft mit elektronischen Datenspeichern lernte Raizner alle Facetten des IT-Geschäfts kennen.

"Wer den Sprung nach Armonk schafft, muss clever und gut sein", heißt es in IBM-Kreisen. Immerhin war Raizner bisher der ranghöchste Manager deutscher Nationalität im gesamten Unternehmen. Kein Wunder also, dass der gebürtige Schwabe, der am 15.August seinen 50.Geburtstag feierte, intern auch schon mal als "der smarte Amerikaner" bezeichnet wird.

Erinnert entfernt an Bill Clinton

Nicht nur erinnert er mit seinem grauen Schopf und seinen blauen Augen entfernt an Bill Clinton, er trat auch bei seinem Start in Deutschland Anfang 2003 sehr amerikanisch auf: "Wir sind hier kein Debattierclub", habe er auf einem ersten Führungskräftetreffen unmissverständlich zu verstehen gegeben, und: "Die Vorgaben aus der amerikanischen Konzernzentrale in Armonk sind richtig und werden umgesetzt."

Aber umsetzen allein ist für einen leidenschaftlichen Ärmelaufkrempler wie Raizner auf Dauer nur von begrenztem Reiz. Zumal dann, wenn die Ergebnisse der Anstrengungen in Deutschland - wie bei IBM üblich - gar nicht eigens ausgewiesen werden.

© SZ vom 07.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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