Porträt von Ignaz Walter:Der letzte Patriarch

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Über Jahrzehnte bestimmte Ignaz Walter in Augsburg Wirtschaft und Politik - jetzt muss der Sonnenkönig vom Lech abtreten.

Von Andreas Roß

Wer Ignaz Walter ein bisschen kennt, der weiß, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen sein muss: Er, der Gründer und Patriarch der Walter Bau AG, bläst zum Rückzug.

War stets Chef der Abteilung Attacke: Ignaz Walter (Foto: Foto: ddp)

Unter dem gewaltigen Druck der Banken hat er den Vorsitz im Aufsichtsrat seines in drei Jahrzehnten geschmiedeten Baukonzerns abgegeben.

Sein Nachfolger im Aufsichtsrat soll der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, Bernd Fahrholz, werden. Ohnmächtig muss Walter mitansehen, wie ihm sein Lebenswerk aus den Händen gleitet.

Seine Stärke war die Attacke

Die weiße Fahne zu hissen, das ist eine völlig neue Erfahrung für den 68-Jährigen, der bislang eher als Chef der Abteilung Attacke bekannt war.

Geschäftspartner, Mitarbeiter, Aktionäre, Bankenvertreter oder auch lokale Politiker können mehr als nur eine Geschichte erzählen, wie unangenehm es mit Walter werden konnte, wenn der Choleriker und schwäbische Dickschädel wieder einmal die Zeit für gekommen hielt, Klartext zu reden.

Da wurde es meist ziemlich laut und am Ende durfte niemand mehr Zweifel haben, dass es für Walter nur eine Richtung gab: "Vorwärts immer, rückwärts nimmer."

Wo jetzt vorwärts ist, bestimmt aber nicht mehr der Großaktionär, und in Augsburg wächst die Sorge, dass mit der Neuformierung des Bauriesen auch die letzte Konzernzentrale aus Schwabens Hauptstadt abwandern könnte.

Originäre Bindung zum Standort

2001 zog sich bereits die Haindl-Familie zurück und verkaufte ihren traditionsreichen Papierkonzern nach Finnland.

Und vor nicht ganz zwei Jahren veräußerte auch der frühere bayerische Arbeitgeberpräsident Hubert Stärker seine Firma, die zu den führenden Katalysatoren-Herstellern in Europa zählte, an einen US-Konzern.

Nach dem Niedergang der meist von Augsburger Familien beherrschten Textilindustrie in den achtziger und neunziger Jahren und der Verlagerung des MAN-Konzernsitzes von Augsburg nach München gibt es in Schwabens Bezirkshauptstadt keine großen Konzerne mehr, deren Eigentümer eine originäre Bindung zum Standort haben.

Drohung mit Standortverlegung

Auch Ignaz Walter hat in der Vergangenheit immer mal wieder mit der Verlegung seines Konzernsitzes gedroht, wenn Stadträte und Bürger seine Vorstellungen von Stadtentwicklung nicht so berauschend wie er selbst fanden und deshalb hinhaltenden Widerstand leisteten.

Meist ging es dabei um die von Walter propagierten Pläne für innerstädtische Tiefgaragen, um die Verkehrsanbindung seines Konzernsitzes oder um seine privaten Baupläne im Augsburger Trinkwasserschutzgebiet.

In solchen Fällen pflegte der Unternehmer meist große Zeitungsanzeigen zu schalten, um seinen Gegnern auf wenig diplomatische Art zu sagen, was er von ihnen hielt.

Richtig ernst wurde es mit den Verlagerungsplänen aber nie, denn jeder in Augsburg wusste, dass Walter viel zu sehr mit seiner Heimatstadt verwurzelt war, als dass er woanders sein Domizil aufschlagen würde.In Augsburg war er der Fixstern am Unternehmer-Himmel, hier konnte er sich inszenieren und musste seinen Einfluss kaum mit jemandem teilen.

In Wirtschaftszentren wie München, Frankfurt oder Hamburg wäre der Aufsteiger aus Augsburg, der in der deutschen Bauindustrie nach Beobachtungen des Manager Magazins seit jeher als Außenseiter gesehen wurde, nur einer von vielen gewesen.

Doch das wollte der Sonnenkönig vom Lech nie sein. "Mitleid bekommt man geschenkt - Neid muss man sich hart erarbeiten", lautet das Lebensmotto von Walter.

Den Neid mag es in Jahren des wirtschaftlichen Erfolges vielleicht gegeben haben, doch jetzt, wo der Konzern auf der Kippe steht, ist es selbst mit dem Mitleid nicht weit her. Gingen bei Holzmann oder Opel die Mitarbeiter noch zu Tausenden auf die Straße, war in Augsburg von Protesten und flammenden Appellen nichts zu sehen und zu hören.

Eher pflichtschuldig klingen die Erklärungen der lokalen Wirtschaft, der Gewerkschaft oder aus dem Rathaus. Er hoffe, dass es jetzt nicht zum Kahlschlag kommt, lässt Augsburgs SPD-Oberbürgermeister Paul Wengert lapidar vernehmen.

Doch Solidarität gehörte auch nicht gerade zu Walters Stärken. Als Schwabens Wirtschaft vor Jahren gemeinsam mit Regionspolitikern für den Ausbau der ICE-Strecke München-Augsburg-Nürnberg kämpfte, stand Walter nicht an ihrer Seite.

Er versprach sich wesentlich mehr von dem Bau der sehr viel teureren ICE-Neubaustrecke von Ingolstadt nach Nürnberg. Walter kam dort auch mit namhaften Aufträgen zum Zug. Ironie der Geschichte dabei: Bis heute streitet die Walter Bau AG mit der Deutschen Bahn immer noch über Außenstände in dreistelliger Millionenhöhe.

© SZ vom 1.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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