Porsche:Inszeniertes Davidprinzip

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Bei Porsche läuft nicht nur die Autoproduktion rund, sondern auch die PR-Maschine.

Dagmar Deckstein

Wenn man so will, handelt es sich bei den erstaunlichen Vorgängen zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Wolfsburg um das auf die Spitze getriebene Davidprinzip. Um den Höhepunkt einer Inszenierung, deren Regisseure keine Einstellung dem Zufall überlassen und die alle verfügbaren Scheinwerfer auf ihren Hauptdarsteller Wendelin Wiedeking richten. Der Chef dieser Regisseure heißt Anton Hunger, ist Leiter der Presseabteilung bei Porsche und begann zur gleichen Zeit, im Oktober 1992, seinen Job in Zuffenhausen wie sein Vorgesetzter. Damals hätte keiner einen Pfifferling auf die

heruntergewirtschaftete Sportwagenschmiede mehr gewettet, die als todsicherer Übernahmekandidat für den nächstbesten Großkonzern gehandelt wurde.

Zehn Jahre später, 2002, strotzte Porsche nur so vor Kraft. "Das Unternehmen hat Erfolg, und der Erfolg hat einen Namen: Wendelin Wiedeking. Er machte aus dem Makel des Winzlings eine Tugend - und entdeckte das Davidprinzip. Gegen jede Fusionslogik verteidigte er die Kleinheit als Überlebensform, so wie es entwicklungsgeschichtlich vorgezeichnet ist, so wie die Natur es uns täglich vormacht." So schrieb Hunger im eigens zum Zehnjährigen und gleichzeitig Wiedekings 50. Geburtstag herausgegebenen Buch "Das Davidprinzip". Porsche eilte und eilt weiter von einem Rekordjahr zum nächsten, und wohl kein anderer erfolgreicher Manager wird derart zum Superman hochstilisiert wie Wiedeking, der Name des Erfolgs. "Was bei uns am besten funktioniert, ist die Presseabteilung. Deren Arbeit und Außenwirkung ist glänzend", zitiert der Wiedeking-Biograph Ulrich Viehöver einen altgedienten Porscheaner in seinem Buch.

Tausendsassa Wendelin Wiedeking

Der Tausendsassa Wiedeking, der den ehemaligen Schrottladen Porsche zum profitabelsten Autobauer der Welt machte, die Großen das Fürchten lehrt, der es als David den Goliaths dieser Welt so richtig zeigt, der sich öffentlich über die Moral der Manager ebenso ereifert wie er über die Subventionsmentalität der Konkurrenten herzieht, dieser Wendelin Wiedeking ist nicht zuletzt auch Gegenstand und Produkt einer gekonnten PR-Inszenierung. Er sonnt sich im Glanz der Edelmarke Porsche und strahlt zugleich sein eigenes Markenimage auf Porsche aus.

Dass einem machtbewussten und geltungsbedürftigen Tatmenschen wie Ferdinand Piëch diese Wiedeking-Show manchmal auf die Nerven gehen muss und ihn zu Sticheleien gegen den Porsche-Lenker provoziert. So verweigerte Piëch kürzlich auf einer Veranstaltung in Hannover ein gemeinsames Foto mit Wiedeking: "Das ist jetzt keine gute Idee", wies er das Ansinnen des Fotografen zurück. Dabei hat Wiedeking den Porsche-Eigentümerclans Piëch und Porsche um viele Milliarden reicher gemacht, indem er nach seinem Antritt in Zuffenhausen den Laden völlig umkrempelte. Er schickte anfangs mehr als ein Drittel der Belegschaft nach Hause, engagierte Toyota-Leute, um die Produktionsprozesse zu verbessern, verlagerte peu à peu Arbeiten nach außen, trimmte die im Hause verbliebenen Arbeitsabläufe gnadenlos auf Effizienz. So stammen bei Porsche nur noch zehn Prozent der Wertschöpfung aus der eigenen Fertigung, den Rest leisten die Zulieferer.

Unter Wiedekings Regie wurde Porsche zum weltweit profitabelsten Autobauer mit einer Umsatzrendite um die 20 Prozent. Die großen Konkurrenten sind dagegen schon froh, wenn sie ihre Rendite von fünf auf sieben Prozent steigern können. Wer sich wundert, dass die kleine Sportwagenschmiede den großen VW-Konzern schlucken kann, der schaue in die Zahlen. Porsche machte im vergangenen Jahr mit etwa 100 000 Sport- und Geländewagen sieben Milliarden Umsatz. Das ist weniger als VW in einem Monat schafft. Gleichzeitig liegt der Porsche-Gewinn seit Jahren über dem von VW. Im vergangenen Geschäftsjahr machte der David sogar einen Gewinn von sagenhaft anmutenden sechs Milliarden Euro. Das meiste davon kam aus Börsengeschäften mit VW-Aktien. Aber auch in normalen Jahren liegt der Gewinn weit über einer Milliarde Euro.

Klein, unabhängig und flexibel

Die Stuttgarter profitieren davon, dass sie klein, unabhängig und flexibel agieren und Risiken möglichst aus dem Weg gehen. So sichert Finanzchef Holger Härter Wechselkursschwankungen stets langfristig und zu hundert Prozent ab. Waghalsige Expansionspläne, riskante Zukäufe und eine hohe Verschuldung scheut der Porsche-Vorstand ebenfalls. Um die Risiken zu senken, produziert Porsche den Geländewagen Cayenne mit Volkswagen; mit dem finnischen Autohersteller Valmet arbeitet das Unternehmen bei der Produktion des Boxster und des Cayman zusammen. So vermeidet Porsche, Fabriken vorzuhalten, die bei Auftragsschwankungen leerstünden.

Auch die künftige vierte Porsche-Modellreihe, der Panamera, soll nach dem Cayenne-Muster von Volkswagen gebaut werden. Die Stuttgarter arbeiten mit dem Wolfsburger Konzern bei der Entwicklung eines Hybridantriebs zusammen, den sie wegen der hohen Kosten und der wahrscheinlich geringen Absatzzahlen allein kaum konstruieren könnten. Wäre Volkswagen in die Hände von Finanzinvestoren gefallen und zerschlagen worden, wofür es vor dem Porsche-Einstieg durchaus Anzeichen gab, wäre ein tragender Teil des Erfolgsmodells à la Zuffenhausen unter die Räder gekommen.

Zu diesem Erfolgsmodell gehört auch, trotz aller Rekordgewinne, ein gnadenloser Kosten- und Leistungsdruck im Hause Porsche. Gerne versinnbildlicht Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück den Sparzwang des Porsche-Chefs mit dem Spruch: "Der Wiedeking ist so geizig, dass er sich am zweiten Advent mit einer Kerze vor den Spiegel stellt."

© SZ vom 11.03.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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