Popkomm:Die Musik spielt in Berlin

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Europas größte Fachmesse für Popmusik und Entertainment - die Popkomm - sucht die Nähe zur Politik und zum Geld. Sie zieht von Köln nach Berlin.

Ulf Brychcy

Der Verlierer zeigte sich beleidigt. Die Popkomm, der weltgrößte Branchentreff der internationalen Musikindustrie, sei für die KölnMesse betriebswirtschaftlich irrelevant, schimpfte Messechef Jochen Witt.

Seine heftige Reaktion ist verständlich. Die Popkomm, in den vergangenen 15 Jahren am Rhein groß und erfolgreich geworden, verlässt Köln und zieht im nächsten Jahr nach Berlin.

Für den Medienstandort Köln ist es ein schwerer Schlag, während der Hauptstadt-Rivale jubelt. "Die Popkomm ist für Berlin ein wichtiger neuer Wirtschaftsfaktor", freute sich Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS).

Notgemeinschaft

Was Wolf allerdings als Ausweis von Stärke feiert, ist genau besehen das Gegenteil. Die angeschlagene Musikindustrie und das wirtschaftlich danieder liegende Berlin gehen so etwas wie eine Notgemeinschaft ein, die im Hoffen auf bessere Zeiten wurzelt.

Die Plattenbranche steckt weltweit in einer Krise, die sich besonders heftig in Deutschland auswirkt. Vor allem die Jugendlichen kaufen immer weniger CDs, in diesem Jahr dürfte der Tonträgermarkt erneut einbrechen - um mindestens ein Fünftel.

Darunter leidet auch der Popkomm-Eigentümer Viva Media aus Köln, der im Hauptgeschäft zwei Videoclip-Kanäle betreibt. Und die Popkomm verliert wegen der Krise an Reiz, viele Aussteller bleiben weg, es drohte gar die Insolvenz des Messeveranstalters Musikkomm.

Sowohl die Musikfirmen als auch Viva-Vorstandschef Dieter Gorny versprechen sich von dem Ortswechsel einen Neuanfang und, was ebenfalls wichtig erscheint, eine größere Nähe zur Politik.

Branche sieht sich bedroht

Die Branche sieht sich durch CD-Raubkopien oder das Herunterladen von Popmusik aus dem Internet existenziell bedroht, die Politiker in der Hauptstadt sollen endlich mit umfassenden Verboten helfen.

Außerdem haben Plattenkonzerne wie Universal und Sony Music, die bereits in Berlin sitzen, aus Kostengründen auf einen Messeumzug gedrängt. Geschehe dies nicht, drohten die Manager, dann werde man an der Spree eine Gegenveranstaltung zur Popkomm aufziehen.

Da mochte sich Gorny nicht weiter verweigern. "Die Popkomm muss dort laufen, wo die Industrie sie haben will", sagte er. Der Viva-Vorstandschef hatte die Messe einst erfunden, bis vor wenigen Wochen besaß er privat sogar noch die Mehrheit an der Veranstaltungsgesellschaft.

Einst lieb und sehr teuer

Dem Land Nordrhein-Westfalen war der Branchentreff in Köln einst lieb und sehr teuer, von 1992 bis 1996 flossen öffentliche Mittel in Höhe von mehr als 4,5 Millionen Euro in die Popkomm.

Gorny dürfte der Messe-Umzug in die Hauptstadt auch deshalb leicht fallen, weil nun Berlin mit neuer und großzügiger finanzieller Unterstützung lockt.

Direkte Landessubventionen gebe es zwar keine, beteuern Gorny und Wirtschaftssenator Wolf einmütig. Dafür springt die Messe Berlin ein, eine Tochterfirma des Landes. Sie wird mit Viva Media ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, das die Popkomm wohl im Herbst 2004 in den Hallen unter dem Funkturm veranstaltet, mit eigener großer Gala.

Hübsche außerordentliche Gewinne

Viva erhält dafür von der Messegesellschaft einen höheren einstelligen Millionen-Euro-Betrag und kann demnächst hübsche außerordentliche Gewinne verbuchen.

Jetzt muss die Messe Berlin nur noch zeigen, dass sie etwas vom Musikgeschäft versteht. Einfach nur Zäune errichten und Bierbuden-Lizenzen ausgeben wie bei der Love Parade vor einer Woche reicht hier nicht.

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