Politische Risiken:Schutz für den Handel

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Embargos, Sanktionen, willkürliche staatliche Maßnahmen oder Terror: Wegen politischer Risiken können internationale Geschäfte schnell platzen. Dafür gibt es spezielle Versicherungen.

Von Christian Bellmann

Es lief alles nach Plan. Der deutsche Anlagenbauer hatte von einem Kunden aus Fernost einen lukrativen Auftrag für die Herstellung einer Maschine erhalten. Er hatte das Gerät gebaut und nach Südostasien verschifft. Doch im Zielhafen gab es plötzlich Probleme, angeblich fehlten Einfuhrgenehmigungen. Der Zoll beschlagnahmte die Maschine. Obwohl der Anlagenbauer alle Auflagen erfüllt hatte, platzte das Geschäft. Der Hersteller erhielt von seinem Kunden kein Geld, weil ihn die Lieferung nicht erreichte.

Das ist kein Einzelfall. "Die Konfiszierung von Waren nimmt vor allem in Südostasien stark zu", berichtet Alexander Skorna, Leiter für Geschäftsentwicklung beim Versicherungsmakler Funk aus Hamburg. Dabei missbraucht der Staat den Zoll, um Waren unter einem Vorwand in seinen Besitz zu nehmen. "Gerade für kleinere Firmen ist es dann schwierig zu prüfen, wo das Problem lag und was mit der verschollenen Lieferung passiert ist", sagt Skorna. Oft zeigen sich die ausländischen Behörden unkooperativ und sitzen das Thema aus. "Meistens verläuft der Vorfall im Sand, und der Lieferant erhält sein Geld nie."

Willkürliche staatliche Maßnahmen sind nur eines der vielschichtigen politischen Risiken, mit denen exportierende Firmen umgehen müssen. Diese Risiken spielen eine große Rolle bei Warenkreditversicherungen, mit denen sich Unternehmen dagegen versichern, dass ein Abnehmer pleitegeht und gelieferte Waren nicht bezahlen kann. Nur solche Schäden abzusichern, genügt aber nicht. "Es ist wichtig, dass eine Kreditversicherung auch politische Risiken deckt", sagt Frank Liebold, der das Geschäft des Kreditversicherers Atradius in Deutschland verantwortet. "Grund für Forderungsausfall ist nicht die Insolvenz des Handelspartners, sondern dass die Firma durch eine politisch getriebene Maßnahme kein Geld erhält, obwohl ihr Kunde in der Lage wäre zu zahlen."

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Grenzüberschreitende Handelsgeschäfte können auch durch Embargos platzen, etwa wenn ein Land kurzfristig Sanktionen auf die Einfuhr ausländischer Lebensmittel verhängt. Transportiert ein Händler frische Ware in dieses Land, kann er sie nicht einführen - und auch nicht zurücktransportieren, weil sie bis dahin verdorben wären. Problematisch wird es auch, wenn ein Staat nicht über ausreichend Devisen verfügt oder den Kapitalverkehr kontrolliert, also entscheidet, wofür Devisen verwendet werden. Exportiert eine Firma in ein solches Land, können die Kunden die beispielsweise in Dollar ausgestellte Rechnung nicht in dieser Währung bezahlen, und der Lieferant bleibt auf der Forderung sitzen.

Dass im Zuge des Handelsstreits deutsche Autos gezielt mit Zöllen belegt werden könnten, spielen Kreditversicherer schon seit längerem als Szenario durch. "Dadurch werden nicht nur die Produkte teurer, sondern der Lieferant hat bei einem Zoll von beispielsweise 25 Prozent auch ein höheres Risiko, das gedeckt werden muss", sagt Atradius-Manager Liebold. "Die Kreditversicherer versichern Zölle zwar mit, allerdings steigt die Kreditsumme dann ebenfalls um 25 Prozent." Aus einer Ware im Wert von 100 000 Euro wird dann eine Forderung von 125 000 Euro. "Da Versicherer mit dem höheren Betrag als Basis kalkuliert, kann für das Unternehmen der Versicherungsschutz anteilig teurer werden", warnt Liebold.

Experten raten dazu, dass bei der Absicherung politischer Risiken Terror grundsätzlich mitversichert sein sollte. Bei den meisten Policen ist diese Schadenursache zunächst ausgeschlossen. "Auch wenn viele Versicherer sich damit schwertun - die Trennung zwischen politischer Gewalt und Terror sollte erst gar nicht entstehen", sagt Skorna vom Makler Funk. Wie schnell die Grenzen verschwimmen können, zeigen die aktuellen Vorfälle in Hongkong: Nach der Schließung des Flughafens infolge der Unruhen sprach die chinesische Regierung auf einmal von terroristischen Tendenzen. "Ist Terror in der Police nicht explizit eingeschlossen, hat der Versicherer ein Schlupfloch, die Zahlung zu verweigern", warnt Skorna.

Um Versicherungsschutz gegen politische Risiken zu kaufen, ist es notwendig, Entwicklungen mehrere Jahre im Voraus zu prognostizieren. Das wird immer schwieriger. "Die Welt wird unübersichtlicher, es kann in jeder Region zu unerwarteten politischen Ereignissen kommen", sagt Silja-Leena Stawikowski vom Großmakler Aon. "Aus kleinen Vorkommnissen können schnell große Ereignisse mit globalen Auswirkungen werden." Dabei spielten auch die sozialen Medien eine immer größere Rolle.

Politische Risiken sind nur dann adäquat versicherbar, wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass in einem Land politisch bedingte Probleme aufkommen. "Wenn die Kunden einen Bedarf sehen, ist es zu spät", sagt Funk-Experte Skorna. Wie schnell das gehen kann, zeigt das Beispiel Iran: Das Land hatte sich 2015 in einem Abkommen verpflichtet, Uran nur zu Forschungszwecken anzureichern und nicht zur Herstellung einer Atombombe. Die USA, Großbritannien, China, Russland und die EU-Staaten haben im Gegenzug beschlossen, ihre Sanktionen gegen den Iran zu lockern. "Daraufhin hatten wir unseren Kunden vorgeschlagen, dieses Zeitfenster der Entspannung zu nutzen, um politische Risiken in ihre Policen aufnehmen zu lassen", berichtet Skorna. Viele Kunden haben das nicht umgesetzt. Als der spätere US-Präsident Trump in seinem Wahlkampf angekündigt hat, aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran aussteigen zu wollen, war diese Chance vorbei. "Jetzt sind solche Risiken nicht mehr versicherbar oder es wird extrem teuer", so Skorna. Und ob es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch gelingen wird, das Atomabkommen zu retten, ist ungewiss.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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