Politische Risiken:Die Angst-Police

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„Keine Angst hier“, steht auf einer Mauer in Manchester. Das Graffiti erinnert an das Attentat von Manchester im vergangenen Jahr. (Foto: AFP)

Die unsichere Weltlage bereitet vielen exportstarken Unternehmen Sorgen. Immer mehr wollen sich vor Gewalt, Terror und politischen Handelsrisiken schützen.

Von Anne-Christin Gröger

Es war eine der spektakulärsten Unterbrechungen eines der großen deutschen Musikfestivals: Weil die Polizei Hinweise auf einen möglichen Terroranschlag hatte, wurde im Juni vergangenen Jahres die Musikveranstaltung "Rock am Ring" in der Eifel unterbrochen. Der Verdacht: Einer der Mitarbeiter soll Kontakt zu einem hessischen Salafisten gehabt haben. Zehntausende Besucher mussten das Festivalgelände vorübergehend verlassen. Mittlerweile ist klar, dass ein Schreibfehler bei den Namen der Helfer zu der Verwechslung geführt hatte.

Nicht so glimpflich ging dagegen ein Popkonzert im britischen Manchester ebenfalls im vergangenen Jahr aus. Gegen 22.30 Uhr detonierte im Eingangsbereich eine mit Metallteilen gespickte Sprengladung in einem Rucksack. 22 Menschen starben. Hinter dem Anschlag soll ein libysches Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat stehen.

Veranstalter großer Events wie Konzerten, Festivals oder anderen Großereignissen fürchten Terrorwarnungen und tatsächliche Angriffe durch Extremisten. "Terrorangriffe sowie bereits die reine Androhung eines entsprechenden Anschlags sind inzwischen in den meisten Ausfalldeckungen mitversichert", berichtet Björn Reusswig, der beim Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty für Terrordeckungen verantwortlich ist. Mit solchen Verträgen schützen sich Veranstalter vor dem finanziellen Verlust, der entsteht, wenn die Party wegen eines Unwetters, eines kranken Künstlers oder wegen eines extremistischen Angriffs abgesagt oder unterbrochen werden muss.

Politische Unwägbarkeiten verunsichern jedoch nicht nur Anbieter von Großveranstaltungen. Auch Konzerne, die im Ausland Geschäfte machen, sind davon betroffen. Ob gewalttätige Demonstrationen in El Salvador oder eine Verfassungsänderung in Südafrika, mit der weiße Landbesitzer zügiger enteignet werden können - solche Ereignisse können Handel und Produktion im Ausland erheblich erschweren. Besonders schwierig ist es für Firmen vorherzusehen, welche Folgen ein politisches Ereignis für die eigenen Geschäfte haben kann. "Die Unberechenbarkeit der Ereignisse nimmt zu", sagt Silja-Leena Stawikowski vom Versicherungsmakler Aon. "Das steigert auch die Nachfrage nach einer entsprechenden Versicherung."

Grundsätzlich können Firmen unternehmerische Verluste, die durch politische Querelen entstanden sind, auf zwei Arten versichern. "Wir unterscheiden zwischen Deckungen für politische Gewalt und Deckungen für politische Risiken", erklärt Allianz-Experte Reusswig. Unter politischer Gewalt verstehen Versicherer Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden, die Firmen durch Terror, politisch motivierte Sabotage, Revolutionen oder gar Krieg entstehen. Auch wenn ein Zulieferer wegen eines Bürgerkrieges nicht pünktlich liefern kann und die Lieferkette unterbrochen wird, kann das ein Versicherungsfall sein.

Die Hermes-Deckungsvolumina waren für die USA, die Türkei und Russland am höchsten

Bei der Absicherung von politischen Risiken dagegen geht es vor allem um die finanzielle Deckung von Exporten und Investitionen. "Diese Policen greifen, wenn Firmen Rohstoffe, Maschinen oder Anlagenteile ins Ausland liefern und wegen staatlich verhängter Embargos oder Enteignungsmaßnahmen auf ihren Rechnungen sitzen bleiben", sagt Stawikowski. Bei dieser Art der Versicherung handelt es sich um eine Erweiterung der klassischen Kreditversicherung, die einspringt, wenn ein Abnehmer insolvent wird und Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Anbieter dieser Deckungen sind Kreditversicherer wie Euler Hermes, Atradius und Coface.

Manche Geschäfte sind den privaten Anbietern jedoch zu heikel. Dann hat der Lieferant ein Problem, es sei denn, sein Geschäft kommt für die staatlichen Hermesbürgschaften infrage. Sie heißen so, weil der private Anbieter Euler Hermes sie im Auftrag des Bundes verwaltet. Die Allianz-Tochter ist aber am Risiko nicht beteiligt. Hermes-Deckungen sind ein wichtiges Mittel der Außenwirtschaftspolitik. Als Griechenland im Jahr 2010 in die Schuldenkrise rutschte, zogen sich die privaten Anbieter aus dem Markt zurück. Die Nachfrage nach den staatlichen Bürgschaften für Lieferungen in das Land zog stark an.

Auch jetzt fragen die Firmen wieder Hermes-Deckungen nach. "Die Diskussionen über Zölle und Handelsbarrieren sowie anhaltende politische Risiken in wichtigen Regionen der Welt beeinflussen die deutsche Exportwirtschaft", heißt es im Halbjahresbericht für Exportgarantien der Bundesrepublik Deutschland. "Zum 30. Juni 2018 lag das Antragsvolumen bei 18,6 Milliarden Euro und damit um mehr als 50 Prozent über dem des vergleichbaren Vorjahreszeitraums." Insgesamt hat die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2018 Exportgarantien in Höhe von 8,1 Milliarden Euro übernommen, vor allem für Geschäfte mit den USA, der Türkei und Russland. Das sind insgesamt sechs Prozent mehr im Vergleich zu 2017. Weil die politische Weltlage derzeit so unberechenbar ist, sei es nicht mehr so einfach wie früher, an eine langfristige private Deckung zu kommen, sagt Maklerin Stawikowski. "Firmen, die ein Angebot vorliegen haben, sollten schnell reagieren, da die Kapazitäten der Versicherer enger werden und es mit der Zeit immer schwieriger wird, bestimmte Risiken abzusichern." Bei der Absicherung von Investitionen und Exporten beobachtet sie den Trend, dass Staaten als Auftraggeber unzuverlässiger werden. So hatte sich ein Unternehmen in der kanadischen Provinz Ontario an einem Projekt im Bereich der Solarenergie beteiligt. Dann beschloss die Regierung entgegen dem Vertrag, die Einspeisevergütung um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. "Das bedeutete dann einen Verlust der Rentabilität für den Investor", sagt sie. Auch, dass Regierungen unerwartet Märkte für bestimmte ausländische Produkte schließen, kommt häufiger vor. So hatte Russland als Reaktion auf die Ukraine-Sanktionen ein Einfuhrstopp für westliche Lebensmittel verhängt.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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