Pessimistische Prognose:Weniger Geld für 20 Millionen Rentner

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Auch 2005 werden die Renten nicht steigen. Außerdem müssen Ruheständler mehr beim Zahnersatz und Krankengeld zuzahlen.

Von Andreas Hoffmann

Die 20 Millionen Rentner in Deutschland müssen im nächsten Jahr mit Einbußen rechnen. Nach Kürzungen in diesem Jahr kündigten die Rentenversicherer für 2005 eine weitere Nullrunde an. Grund sind niedrige Löhne.

Schlechte Aussichten für Renter: 2005 soll es erneut eine Nullrunde für sie geben. (Foto: Foto: dpa)

Weil die Ruheständler einen Sonderbeitrag für die Gesundheitsreform zahlen, sinken die Renten sogar. Die Bundesregierung widersprach der pessimistischen Prognose.

Der Vorstandschef des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), Alexander Gunkel, sagte, 2005 werde es nur "eine Nullanpassung geben können". Er begründete dies mit den nur gering gestiegenen Löhnen und den Auswirkungen der Rentenformel. Nur eine gesetzliche Sonderklausel verhindere eine "Minusanpassung", sagte Gunkel, der für die Arbeitgeber im VDR sitzt. Ohne diese Klausel müssten die Renten sogar gekürzt werden.

"Risiko ist gestiegen"

Unklar ist nach Gunkels Ansicht, ob die Bundesregierung im Wahljahr 2006 den Rentenbeitrag von 19,5 Prozent stabil halten kann. Er wies im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung auf Finanzrisiken und die "optimistischen Prognosen" der Bundesregierung zur Konjunktur hin.

Diese könnten eintreten, aber auch scheitern. "Das Risiko eines Beitragsanstiegs für 2006 ist jedenfalls gestiegen", sagte Gunkel. Für 2005 konnte Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) den Beitrag noch stabil halten, indem sie die vorgeschriebenen Rücklagen - die so genannte Schwankungsreserve - reduziert hat.

"Bewegungsspielraum tendiert gegen null"

Ende des Jahres wird sie nach Angaben der Rentenversicherer bei 4,4 Milliarden Euro oder 0,28 Monatsausgaben liegen. Ein weiterer Abbau der Rücklage ist aber nicht möglich.

"Der finanzielle Bewegungsspielraum der Rentenversicherung tendiert gegen Null", sagte Gunkel. Bereits 2005 müsse daher der Bund bestimmte Zuschüsse früher an die Rentenkasse überweisen.

Die neuerliche Nullrunde ergibt sich aus den Mechanismen der Rentenanpassung. Wie stark die Renten in einem Jahr steigen, hängt von dem Plus bei Löhnen und Gehältern des Vorjahres ab. Bisher ging die Bundesregierung davon aus, dass die Bruttoentgelte pro Kopf in diesem Jahr um 1,4 Prozent steigen würden.

Konjunkturprognosen waren zu optimistisch

Inzwischen zeigt sich aber, dass die Annahmen zu optimistisch waren, weil die Firmen offenbar die Gehälter weiter reduziert haben. In der jüngsten Konjunkturprognose aus dem Hause von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ist nur davon die Rede, dass die Bruttoentgelte im Westen um 0,6 Prozent und im Osten um 0,7 Prozent zulegen.

Dies reicht für einen Zuwachs bei den Renten nicht aus. Nötig wären Raten von mindestens 1,4 Prozent.

Der Grund ist die veränderte Rentenformel. Sie enthält zwei besondere Größen, den Nachhaltigkeitsfaktor und den Altersvorsorgeanteil. Beides verringert den Rentenanstieg um zusammen 1,3 Prozent, was die Einbußen erklärt.

Faktisch sind die Kürzungen noch größer.

Grund dafür sind die neuen Sonderbeitragsregeln für Zahnersatz und Krankengeld. Danach zahlen die Arbeitnehmer von Juli nächsten Jahres an einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent ihres Bruttoeinkommens.

Damit werden die Versicherungskosten für künstliche Zähne und Krankengeld abgedeckt. Diese Regelung wird auf die Rentner übertragen; die Versicherungen ziehen den Sonderbeitrag vom Ruhegeld ab. Konkret würde das bei einer Rente von 1000 Euro bedeuten, dass die Versicherer neun Euro abziehen müssten.

Tatsächlich wird die Rente aber nur um 4,50 Euro gekürzt, weil die Rentner bereits heute über ihren Kassenbeitrag die Hälfte der Kosten für Zahnersatz und Krankengeld übernehmen. Künftig müssen sie noch den Anteil der Rentenversicherer tragen.

Entscheidung im Frühjahr

Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) widersprach dem VDR. Eine Sprecherin sagte, derzeit könne niemand eine verlässliche Prognose abgeben. Über die Rentenanpassung werde im Frühjahr entschieden.

Die Arbeitgeber forderten eine durchgreifende Rentenreform. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte, es zeige sich nun deutlicher, dass die jüngsten Reformen nicht ausreichten, um die Rentenkasse dauerhaft zu sanieren.

Deshalb müsse die Hinterbliebenenversorgung neu gestaltet werden, die ein Fünftel aller Rentenausgaben verursache. Notwendig sei auch, das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre heraufzusetzen und ein frühes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben finanziell unattraktiver zu gestalten.

(SZ vom 29.10.04)

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