Personalklatsch:Geduldiger Nachfolger, dringend gesucht

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Verlage wie Springer und G+J haben den Generationswechsel bereits vollzogen - beim Spiegel sorgt er gerade für Unruhe.

Peter Turi

Denn mit der Stabübergabe tritt auch ein neuer Managertyp an: mit einem schärferen Blick auf die Zahlen.

Der Spitze des Spiegel-Verlags steht ein fast kompletter Generationswechsel bevor. (Foto: Foto: ddp)

Es ist ein Thema, bei dem selbst sonst recht mitteilsame Verlagsmanager ungewohnt einsilbig werden, zumindest in der Öffentlichkeit.

Hinter vorgehaltener Hand, auf den Fluren, in den Caféterias dagegen wird darüber gerne und in aller Ausführlichkeit diskutiert.

Generation 60 plus

Es geht um die Top-Manager von morgen, um die zentrale Frage, wer das Zeug hat, den Verlag in den nächsten Jahren zu führen. Personalklatsch auf höchstem Niveau.

Grund für die intensiven Debatten: Die Alten fühlen sich immer länger jung und sehen keinen Grund, ihren Sessel vorzeitig zu räumen.

Nur wer zum Abgang gezwungen wird, macht heute mit 60 oder 65 Platz für die jüngere Generation.

Jugendwahn war gestern, heute regiert die Generation 60 plus. Mit 66 Jahren, da geht für viele die Karriere fröhlich weiter.

Burda beispielsweise, der Verlag mit Sitz in München und Offenburg, wird von einem Trio regiert, das sich streng genommen schon im Rentenalter befindet: Verleger und Vorstandschef Hubert Burda ist 66 Jahre alt, sein Stellvertreter Jürgen Todenhöfer, 65, und Burdas Erster Journalist Helmut Markwort, 69. Alle drei denken allerdings nicht ans Aufhören.

Das kursierende Gerücht, Markwort wechsle an seinem 70. Geburtstag, am 8. Dezember 2006, zusammen mit Todenhöfer in eine Art Aufsichtsrat, wird von den Betroffenen vehement dementiert.

Mit dem Satz "Ja, ist denn schon wieder 1. April?" kommentiert Todenhöfer diese Spekulation. Markwort will bis 70 weiter machen, sagt lapidar: "Mein Vertrag läuft bis Ende 2008."

Warum auch nicht? Keine Spur von nachlassendem Arbeitseifer oder Gesundheitsproblemen: "Der Markwort macht mehr denn je", sagt ein enger Mitarbeiter. "Der wüsste gar nicht, was er ohne Arbeit machen soll", sagt Branchenexperte Günter Kress.

Da Helmut Markwort mit der Integration der Verlagsgruppe Milchstrasse zusätzlich Arbeit hat, lässt er bei Focus jetzt öfter Uli Baur ran. Baur, 50, treuer Gefolgsmann von Markwort seit einem knappen Vierteljahrhundert und seit 2004 Chefredakteur, leitet immer häufiger die Redaktionskonferenzen.

"Ein Eigentümer kann nicht aufhören"

Überhaupt wird Baur, den Focus-Mitarbeiter als "ideale Ergänzung zu Markwort" sehen, vom Verleger Hubert Burda offenbar sehr geschätzt. "Die letzten drei Mal, als ich beim Verleger war, gab ich Baur die Türklinke in die Hand", berichtet ein Insider, der - freilich - ungenannt bleiben möchte.

Über seine eigene Nachfolge sagte Verleger Hubert Burda, 66, dem Fachmagazin Werben&Verkaufen (W&V): "Soeben hat der 80-jährige Albert Frère mit Bertelsmann einen großen Deal gemacht. Ich wünsche mir das Gleiche, wenn ich sein Alter erreicht habe."

Burda weiter: "Ein Eigentümer kann nicht aufhören. Weder Axel Springer noch Rudolf Augstein oder Reinhard Mohn haben das in meinem Alter getan. Dass man ein junges Management braucht und das Tagesgeschäft rechtzeitig abgibt, versteht sich von selbst."

Burda sieht seine Aufgabe auch darin, die "Young Leaders of Tomorrow" im Unternehmen zu identifizieren und in Führungsaufgaben zu bringen. Denn: "Erst in zehn bis 20 Jahren", so Burda, "wird man sehen können, ob meine Kinder Führungsaufgaben im Hause übernehmen."

Derzeit sind seine beiden Kinder Jakob und Elisabeth aus der Ehe mit Maria Furtwängler 15 und 13 Jahre alt. Der älteste Sohn Felix starb 2001 im Alter von 33 Jahren an Darmkrebs.

"Zwischen mir und der nächsten Generation werden möglicherweise 20 Jahre liegen, in der Manager die Verlegerrolle ausfüllen. Wenn kein Familienmitglied Interesse an der Unternehmensführung hat, dann gibt es andere Modelle."

Die "Young Leaders of Tomorrow" müssen bei Burda also noch ein paar Jahre länger auf Vorstandswürden warten. Leute wie Reinhold G. Hubert (Burda Medien Park Verlage), Philipp Welte (Burda People Group) oder Marcel Reichart (Marketing & Communications) gelten durchaus als ministrabel, bleiben vorerst aber die stille Reserve.

Welte könnte seinen Wirkungsbereich vergrößern, wenn Klaus-Peter Lorenz 2007 mit 65 die Geschäftsführung für Elle, Freundin und Das Haus abgibt und in einen aktiven Ruhestand tritt. Lorenz fühlt sich fit genug, um als Berater und mit eigenen Projekten neu zu starten. Weltes Gegenkandidat für die Nachfolge von Lorenz ist Henning Ecker, Geschäftsführer im Freundin-Verlag. Eines dürfte sicher bei all den Spekulationen: Künftig geht nichts ohne Vorstandsmitglied Paul-Bernhard Kallen.

Spannung beim Spiegel

Mit 60 oder 65 in Pension geht heutzutage nur noch, wer dazu gezwungen ist. Karl Dietrich Seikel, 59, Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, beispielsweise, dem die Gesellschafter eine Vertragsverlängerung verweigerten. Seikel, über Jahrzehnte ein loyaler leitender Angestellter für Rudolf Augstein und den Verlag, quittiert nahezu geräuschlos seinen Dienst.

Von Chefredakteur Stefan Aust, immerhin sechs Wochen älter als Seikel, ist das nicht zu erwarten. Aust gilt als vorruhestandsunwillig.

Der Spitze des Spiegel-Verlags steht ein fast kompletter Generationswechsel bevor: Vier der sechs Chefredakteure und Verlagsleiter wurden oder werden gerade 60: Neben Seikel und Aust der Verlagsleiter und Spiegel-Online-Geschäftsführer Fried von Bismark sowie Austs Vize Joachim Preuss.

Führungsfragen sind beim Spiegel vielleicht noch heikler als anderswo: Der Verlag gehört mehrheitlich seinen Mitarbeitern, so dass jeder Chefredakteur und Geschäftsführer zugleich Vorgesetzter und Angestellter ist.

Der Vertrag von Chefredakteur Aust endet am 31. Dezember 2008. Bis Ende 2007 müssen die Gesellschafter entscheiden, ob sie eine Option auf zwei weitere Jahre ziehen. Aust wird im Haus für seine Erfolge respektiert und für seine Arroganz von vielen abgelehnt.

Derzeit ist eine Vertragsverlängerung für ihn eher unwahrscheinlich. Die fünf Geschäftsführer der Mitarbeiter KG gelten als Aust-Kritiker.

Austs einzige Chance: Die Mitarbeiter wählen ihre fünf Geschäftsführer im ersten Quartal 2007 neu. Möglich, dass da einige Aust-Kritiker abgewählt werden.

Die Installation von Mario Frank, 48, als Nachfolger von Geschäftsführer Seikel stieß auf kritische Fragen vieler Mitarbeiter: Passt der Zeitungsmann und Sanierungsexperte Frank überhaupt zu uns?

Viel wird jetzt von Frank selbst abhängen. Der Geschäftsführer hat das Vorschlagsrecht für den Chefredakteur - und das Vertrauen der Gesellschafter Mitarbeiter KG (50,5 Prozent) und Gruner + Jahr (25,25 Prozent).

Die Augstein-Erben Jakob und Franziska haben, so hat es der Vater Rudolf gewollt, mit 24,25 Prozent nichts mehr zu sagen. Dass sie darüber frustriert sind, dürfte auch ein Grund für ihre gelegentlichen verbalen Vorstöße in der Presse sein.

Die Alternativen zu Aust werden im Spiegel-Verlag heftig, aber natürlich hinter vorgehaltener Hand diskutiert: Die Mitarbeiter KG würde eine Doppelspitze bevorzugen: Martin Doerry, 50, der grundsolide Vize, und Mathias Müller von Blumencron, 45, der bei Spiegel Online einen sehr guten Job macht.

Andere sehen eher Giovanni di Lorenzo, 47, als Aust-Nachfolger. Der ist erstens ein umgänglicherer Typ als Aust, zweitens bei der Zeit ähnlich erfolgreich und drittens im Fernsehen genauso präsent. Kurt Kister, der Stellvertretende Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, wird genannt.

Der frühere Kandidat Gabor Steingart, 43, dagegen gilt inzwischen als verbrannt. Zu stark neoliberales Profil, zu wenig Scoops aus Steingarts Berliner Büro, so die Vorwürfe.

"Bei Bauer können Sie arbeiten, bis Sie umfallen"

Der Streit beim Spiegel-Verlag zeigt, was Generationswechsel so schwierig macht: Personalfragen sind Machtfragen, sie berühren Emotionen und Urängste der Betroffenen und legen unterschiedliche Interessenslagen offen, die verdeckt bleiben, solange ein starker Mann an der Spitze steht.

Vermeiden könnte all dies ein würdiger Abschied der in die Jahre gekommenen Manager. Doch dafür den richtigen Zeitpunkt zu finden, das überfordert viele Führungskräfte. Oft gilt, was Kurt Tucholsky formuliert hat: "Die Menschen wollen nicht sterben. Sie wollen immer noch ein wenig weiter machen. Dieses wenig heißt: ewig."

Strenge Richtlinien sorgten bei Gruner + Jahr dafür, dass der Generationswechsel rechtzeitig eingeleitet wurde. Gerd Schulte-Hillen, heute 65, war das letzte Opfer des Reinhards-Gebots bei Bertelsmann: Mit 60 sollten alle nach dem Vorbild von Reinhard Mohn die operative Führung an Jüngere abgeben.

G+J-Vorstandsvorsitzender Schulte-Hillen übergab an Bernd Kundrun, heute 48. Wirklich loslassen konnte und wollte Schulte-Hillen aber trotzdem noch nicht, jetzt steht er als Gesellschafter bei der Berliner Zeitung und Berater wieder voll im Saft.

Auch sein Zeitschriften-Vorstand Rolf Wickmann, 61, startet als Consulter noch mal neu. Und Axel Ganz, erfolgreicher Auslandschef von G+J, wirbelt mit fast 70 in Frankreich noch mal als Jung-Verleger. Bei Bertelsmann wurde die 60er-Regel stillschweigend beerdigt. Gunter Thielen hängte mit 60 noch mal fünf Jahre als Vorstandsvorsitzender dran, für Axel Ganz galt die Altersgrenze ohnehin nie.

Der Generationswechsel bei Gruner + Jahr darf trotzdem alles in allem als gelungen gelten, auch wenn manche das Charisma der alten Verleger-Generation vermissen. Die Zeiten sind aber auch andere: Der Zeitschriftenmarkt schrumpft, überall ist Sparen angesagt.

Der Job an der Spitze ist härter geworden. "Die Globalisierung erhöht die Belastungen", sagt Uwe Schuricht, Headhunter und Inhaber der Change Group, früherer Syndikus bei Bertelsmannn und Generalbevollmächtigter bei Springer.

Flüge nach China oder in die USA, heute eine Selbstverständlichkeit im Verlegerjob, gehen auf die Physis, die Anforderungen an Sprache, Kulturverständnis und Verhandlungsgeschick sind ebenfalls gestiegen.

Im Gegenzug sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Vorstände ihre Position 20 Jahre lang ausfüllen werden. Der Erfolgsdruck ist höher, die Transparenz größer als früher. "Die Zeiten sind definitiv vorbei, als es hieß: einmal Vorstand, immer Vorstand bis zur Pensionierung", sagt Schuricht.

Noch einmal Blick auf Gruner + Jahr. Dort stimmen die Zahlen, Kundrun kompensiert die Auflagenverluste durch Cost-Cutting. Zeitschriften-Vorstand Bernd Buchholz, 44, versucht, mit neuen Zeitschrifen zu punkten. Im Zukunftsmarkt Internet nimmt indes keiner der G+J-Titel eine Spitzenposition ein.

Ähnlich wie bei Gruner + Jahr hat man es auch bei Axel Springer geschafft, einen Wechsel an der Spitze zu organisieren, der geräuschlos über die Bühne ging.

Döpfner - Idealfall eines angestellten Verlegers

Mathias Döpfner ist es gelungen, nach anderthalb Jahrzehnten heilloser Diadochenkämpfe, die auf Axel Springers Tod 1985 folgten, ganz nach oben zu kommen. Im Grunde habe Springer in dieser Zeit nur überlebt, "weil die zweite Führungsebene hervorragend funktionierte", sagt Verlagssprecherin Edda Fels.

Döpfner gilt als Idealfall eines angestellten Verlegers: ein Journalist und Schöngeist wie Axel Springer, mit einem "nahezu erotischen Verhältnis zum Erfolg" (Fels). Ein Konservativer und Neuerer zugleich, der die Kontinuität zu Axel Springer betont und Neues wagt - auch wenn aus der Übernahme von ProSiebenSat.1 nichts wurde.

Döpfners drastische Sparmaßnahmen wurden relativ geräuschlos umgesetzt. Die Schlüsselressorts Finanzen und Ausland/Zeitschriften hat er mit Vertrauensleuten besetzt, aber auch Haudegen wie den Technik-Vorstand Rudolf Knepper, 61, eingebunden. Christian Delbrück, 61, hat er zum Hamburger Abendblatt zurückgeholt, Regina Quast, 65, Leiterin einer Stabsabteilung, feierte kürzlich 50 Jahre Betriebszugehörigkeit.

Geschickt bedient Döpfner Herz und Verstand, pflegt mit hoher sozialer Intelligenz den Kontakt zur Verlegerwitwe Friede Springer, aber auch zu Mitarbeitern und Aktionären. Bewähren müssen wird er sich im Zukunftsmarkt Internet, wo er den Ankündigungen Taten folgen lassen muss.

Die jungen Vorstände bei Springer und G+J, was machen sie anders als die Generation zuvor? Sie arbeiten stärker im Team, kundenorientierter und vernetzter. Sicher auch zahlengetriebener, kurzfristiger und pragmatischer. Die Bindung zu den Wurzeln des Verlagsgeschäfts aber wird schwächer.

Beim Bauer-Verlag ist der Verleger Heinz Bauer 66, seine Geschäftsführer Günter Sell und Konrad Wiederholz sind 63 - trotzdem ist ein Führungswechsel "derzeit kein Thema", sagt Verlagssprecher Andreas Fritzenkötter.

Eine starre Altersregel gab und gibt es nicht. "Bei Bauer können Sie arbeiten, bis Sie umfallen", sagt ein Insider.

Die Situation ist ähnlich wie bei Burda: Ein Verleger, der selbst über die Pensionsgrenze hinaus arbeitet, kann seine Führungskräfte schlecht mit 65 nach Hause schicken. Intern werden

als Aufstiegskandidaten dennoch Programmzeitschrift-Geschäftsführer Andreas Schoo, 45, und USA-Chef Hubert Böhle, 52, genannt. Eine ganz starke Persönlichkeit wie einstmals die Prokuristen Siegfried Moenig und später Gerd Bolls fehlt Bauer allerdings.

Wichtigstes Unternehmensziel: Bauer soll ein erfolgreiches Familienunternehmen bleiben. Die vier Töchter Mirja, Nicola Yvonne und Saskia sollen dafür sorgen, dass Tradition und Kontinuität gewahrt bleiben. Saskia studiert noch, Yvonne arbeitet in der Bauer Vertriebs KG, Nicola ist stellvertretende Chefredakteur von InTouch, Mirja arbeitet in der Verlagsleitung von Laura.

Mirja ist die älteste Tochter und mit dem Verlagsmanager Sven-Olof Reimers, 36, verheiratet, der bei Bauer als "Berater der Geschäftsleitung" arbeitet. "Die Nachfolge-Frage ist offen und nicht aktuell", sagt Sprecher Fritzenkötter. Trotzdem können Beobachter sich Mirja und Reimers als Verlegerpaar an der Spitze vorstellen. Heinz Bauer und Gattin Gudrun, 55, machen vor, wie Teamwork an der Verlagsspitze erfolgreich funktionieren kann.

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