PC-Geschäft:Lenovo steigt groß in Deutschland ein

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Harte Zeiten in der IT-Branche: Der chinesische PC-Hersteller Lenovo riskiert den Sprung in den deutschen Massenmarkt. Und verschärft den Druck auf Konkurrenten wie Dell und Medion.

Thorsten Riedl

"Noch in diesem Jahr, spätestens Anfang 2007 kommen Produkte von Lenovo für Konsumenten in Deutschland auf den Markt", sagte Yuanqing Yang, der Vorsitzende des Verwaltungsrates von Lenovo, der Süddeutschen Zeitung. Im Heimatland China hat das Unternehmen nach eigenen Angaben im Massenmarkt einen Anteil von 40 Prozent.

März 2006: Das Notebook 3000 C 100, erster PC unter der Marke Lenovo außerhalb Chinas. (Foto: Foto: AFP)

Hierzulande hingegen ist es in dem Segment noch nicht vertreten. Der Computerhersteller konzentriert sich bislang nur auf Arbeitsplatzrechner und tragbare Computer für Firmenkunden.

Lenovo werde den hiesigen Kunden die gleichen Geräte wie für den asiatischen Markt anbieten, erklärte Yang, der im Top-Management des PC-Bauers seit der Gründung des Unternehmens als chinesischer Universitätsbetrieb Ende der achtziger Jahre sitzt.

PC-Markt im Moment sehr schwierig

Mit der Ausweitung seines Produktangebotes verschärft Lenovo den Wettbewerb in einer kritischen Zeit: Zwar können die Computerhersteller ihre Absatzzahlen weiterhin im zweistelligen Prozentbereich steigern. Die guten Zeiten sind jedoch vorbei. In den Industriestaaten ist die Sättigungsgrenze erreicht.

"Der PC-Markt ist im Moment sehr schwierig für alle Spieler - besonders in Deutschland", sagt Meike Escherich, Marktforscherin für den Bereich bei Gartner. Vor allem Rechner für den stationären Einsatz am Arbeitsplatz oder im Heimbüro sind kaum noch gefragt. Die Nutzer ersetzen diese Geräte durch tragbare Computer.

Verschärfter Preiswettbewerb

So verkauften sich laut dem Marktforschungsinstitut IDC im ersten Quartal dieses Jahres in Europa 30 Prozent mehr Laptops als im Vorjahr - jedoch nur acht Prozent mehr Desktop-PCs. Die Konsumenten spüren das nachlassende Marktwachstum durch einen verschärften Preiswettbewerb, mit dem die Anbieter um jeden Kunden kämpfen. "Im Moment hat der Hersteller am meisten Erfolg, der den Preisdruck erträgt", erklärt Escherich.

Auch für Lenovo gibt Yang mit den Expansionsplänen ein rasches Tempo vor. Erst vor anderthalb Jahren hat der chinesische Computerhersteller die Übernahme des Geschäftsbereichs von IBM angekündigt. Für 1,25 Milliarden Dollar hat Lenovo damals den zuletzt unprofitablen Geschäftsbereich des IT-Konzerns IBM übernommen.

Seither ist Lenovo nach Dell und Hewlett Packard weltweit der drittgrößte Hersteller von Computern. IBM selbst stieg zur Jahrtausendwende aus dem Geschäft mit Konsumenten aus. Im abgelaufenen Geschäftsjahr (31. Mai) belasteten hohe Kosten für die Restrukturierung das Ergebnis von Lenovo.

Im Fiskaljahr 2006/07 will der Computerbauer 250 Millionen Dollar durch den Zusammenschluss sparen. Unter anderem werden 1000 von mehr als 21.000 Stellen gestrichen. Weiterführende Pläne gebe es derzeit nicht, sagte Yang.

Übergangsphase überwinden

Nach Ansicht von Branchenexperten ist die Integration bislang reibungslos verlaufen. Lenovo hat vergleichsweise wenig Marktanteile eingebüßt. In Europa zählen IT-Marktforschungsinstitute den Anbieter jedoch nicht mehr zu den fünf Größten.

"Wenn wir die Übergangsphase überwunden und dem Unternehmen ein neues Gesicht gegeben haben, schaffen wir damit eine gute Ausgangsbasis, schneller als die Industrie zu wachsen, und in Zukunft Marktanteile zurückzuerobern", sagte Yang. Die Hauptschwäche von Lenovo sieht er derzeit in der Konzentration auf wenige Zielgruppen. "Es ist an der Zeit für uns, die Produktpalette auszubauen, und so mehr Kunden anzusprechen."

Eigene Ladenkette zu teuer

Die mittelständische Klientel adressiert Lenovo in Deutschland seit Anfang dieses Jahres über Fachhändler. Derzeit laufen Überlegungen, über welchen Kanal Lenovo am besten an die Konsumenten verkaufen kann. Eine eigene Ladenkette sei zu teuer, erklärte Yang.

In China verkauft Lenovo seine Elektronikprodukte - vom Computer über digitale Musikspieler hin zu Mobiltelefonen - über eigene Geschäfte. Das Unternehmen hat in dem Land eine der umfassendsten Lieferketten. In Deutschland werde der Vertrieb über Telefon und Internet geprüft. Mit einem solchen Direktvertriebsmodell würde Lenovo direkt den Wettbewerber Dell angreifen, der Geräte nur auf diese Weise verkauft.

Der Einstieg von Lenovo in den Massenmarkt wird den Konsolidierungsdruck in der Branche erhöhen. "Sogar unter den Top 10 der PC-Hersteller machen viele keinen Gewinn", sagte Yang. Derzeit steht unter anderem Packard Bell, die europäische Tochter von NEC, zum Verkauf; die deutschen Hersteller Maxdata und Medion ordnen ihre Geschäfte neu. Weitere Übernahmekandidaten sieht der Lenovo-Verwaltungsratschef derzeit jedoch nicht. "In den nächsten zwei Jahren werden wir keine Akquisitionen tätigen."

© SZ vom 13.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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