Klammern, Gedankenstriche und sehr viele Kommata stützen das, was der Online-Bezahldienst Paypal seinen Kunden seit Anfang Januar mitteilt. In den neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens ist in Schachtelsätzen verpackt, was die Nutzer zu beachten haben. Ob sie nach der Lektüre schlauer sind, sei dahingestellt: Denn die Sätze im Kleingedruckten bestehen aus bis zu 111 Wörtern und würden ausgedruckt 80 Seiten umfassen. Das sei niemandem zuzumuten, finden die Juristen der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und haben Paypal vergangene Woche abgemahnt.
Denn obwohl sich einige Kunden schon daran gewöhnt haben, das Kleingedruckte im Internet nicht entschlüsseln zu können, haben sie ein Recht darauf, zu verstehen, was sie lesen. Der Paragraf 37 im Bürgerlichen Gesetzbuch legt fest, dass Regelungen in den AGB unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner "unangemessen benachteiligen". Das kann auch dann der Fall sein, wenn die "Bestimmung nicht klar und verständlich" ist. Auf diesen Grundsatz der Transparenz berufen sich auch die Verbraucherschützer. "Mit derart langen Sätzen werden Verbraucher schlichtweg zugetextet", sagt Carola Elbrecht, Rechtsreferentin beim "Marktwächter Digitale Welt" des VZBV. Allerdings definiert der Gesetzgeber nicht, wann ein Satz für den Leser klar und verständlich werden sollte. Eine geregelte Schmerzgrenze zwischen Verständlichkeit und Ratlosigkeit gibt es nicht. "Das ist Auslegungssache", sagt Juristin Elbrecht.
Deshalb wollen die Verbraucherschützer am Beispiel Paypal ein Exempel statuieren, denn die AGB des Unternehmens seien typisch und längst kein Einzelfall. Wissenschaftler der Universität Hohenheim haben herausgefunden, dass die Geschäftsbedingungen vieler Firmen ähnlich kompliziert formuliert sind wie eine Doktorarbeit in Politikwissenschaft. Aktive Verben, die Texte leichter lesbar machen, sucht man oftmals vergebens, stattdessen reiht sich gefühlt ein Substantiv an das andere. Bei Paypal zum Beispiel: Ausgleichsverpflichtung, Haftungsbegrenzung, Rückbelastung.
Dass das Kleingedruckte so viel unverständliches Juristendeutsch enthält, liegt daran, dass darin die Vertragsbedingungen für alle möglichen Verträge zwischen Unternehmen und Kunde geklärt werden sollen - inklusive der Eventualitäten, die schon mal mit ein paar Kommata und vielen "und"-Konstruktionen abgetrennt werden müssen. Ist ein Absatz nicht eindeutig abgefasst und könnte zum Nachteil der Kunden ausgelegt werden, dann haben Wettbewerber oder Verbraucherschützer die Möglichkeit, das betreffende Unternehmen abzumahnen. Das möchten viele vermeiden und formulieren deshalb rechtssicher - und kompliziert. Seine Abmahnung hat Paypal jedoch nicht kassiert, obwohl es rechtssicher formuliert, sondern gerade weil es das tut.
Wie die Unternehmen es machen, sie machen es falsch? So einfach ist es nicht, findet Verbraucherschützerin Elbrecht. Sie sagt, dass viele Unternehmen die zustimmungspflichtigen AGB gemeinsam mit anderen allgemeinen Informationen, etwa zum Widerrufsrecht oder den Kontaktdaten, in einen Topf würfen und der Text auf diese Weise länger ausfalle als nötig. "Im Laden in der Fußgängerzone hängen ja auch keine 80 Seiten an der Wand." Elbrecht schlägt Zwischenüberschriften, Hervorhebungen im Fettdruck und eine Option zum Aufklappen und Zuklappen einzelner Paragrafen vor, um die AGB und Verbraucherinfomationen übersichtlicher zu machen.
Eine andere Lösung könnte der sogenannte One-Pager sein, den das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz für die oftmals ähnlich komplizierte Datenschutzerklärung initiiert hat. Dabei sind die wesentlichen Informationen knapp zusammengefasst. Die Telekom nutzt den One-Pager bereits, mustergültig mit Zwischenüberschriften, kurzen Sätzen, Aufzählungen und Spiegelstrichen. So etwas wäre auch für die AGB denkbar, finden Verbraucherschützer - auch wenn eine solche Zusammenfassung die offiziellen, rechtssicher formulierten Hinweise nur ergänzt und nicht ersetzt.
Paypal hat noch bis zum 28. Februar Zeit, um auf die Abmahnung zu reagieren, und prüft die Angelegenheit derzeit, wie das Unternehmen schriftlich mitteilt. Gibt es keine Unterlassungserklärung ab und ändert nichts am Kleingedruckten, dann will der VZBV eine Klage prüfen. Vom Fall Paypal, so hoffen die Verbraucherschützer, könnte Symbolwirkung ausgehen. Und vielleicht können die Kunden dann künftig besser verstehen, was sie lesen - wenn sie es denn lesen. Denn die meisten Verbraucher, das zeigen Studien, bestätigen das Kleingedruckte, ohne den Inhalt zu kennen.