Pariser Modewoche:Hommage ans Haus

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In unsicheren Zeiten besinnen sich viele Modelabels auf ihre Tradition. Dies zeigt sich bei den Inszenierungen auf der Pariser Modewoche.

Von Katharina Wetzel

In Paris setzt sich der Trend zu eigenen Ausstellungsräumen fort, die in Konkurrenz zu Messen mit vielen Ausstellern stehen. Dies zeigte sich während der Pariser Modewoche, die Anfang März zu Ende ging. Doch gerade, wenn die Budgets sinken, seien physische Erlebnisse umso wichtiger, meint Pascal Morand, Geschäftsführer der Fédération de la Haute Couture et de la Mode. "Die Shows sind das Herzstück der Modewoche und werden es immer sein."

Valentino schenkt den Gästen einen Gedichtband

Politische Krisen wie der Brexit, der US-Handelsstreit mit China oder die Gelbwestenbewegung in Frankreich gehen auch an der Luxusbranche nicht spurlos vorbei. Am Place Vendôme in Paris sind die Vitrinen der Luxusgeschäfte seit Monaten verbarrikadiert. Unbeschwertes Shopping sieht anders aus. "Viele sind vorsichtiger geworden beim Geldausgeben", sagt Ermenegildo Zegna, Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen italienischen Familienunternehmens, während er Anfang März bei der Show von Thom Browne seinen Platz sucht. Im vergangenen Herbst hat sein Haus 85 Prozent der Anteile des amerikanischen Labels Thom Browne übernommen. "Ich muss eine positive Einstellung haben", meint Zegna mit Blick auf die politischen Unsicherheitsfaktoren. Die Dinge würden sich schon zum Positiven wenden.

Die Branche lässt sich nicht so leicht entmutigen. Designer Giambattista Valli hat bereits zur Haute Couture im Januar die gewaltsamen Proteste der "Gilets jaunes" verurteilt, dies sei ein großes Problem für Frankreich, meinte er damals. Zur Prêt-à-Porter zeigt er bestickte Westen, Kleider mit Puffärmeln und seine fast schon zum Standard gewordenen Roben, die vorne kurz und hinten bodenlang sind.

Abgesehen von Balmain, dessen junger Designer Olivier Rousteing auf Rebellinnenlook setzt und viele Outfits mit Nieten überzogen hat, besinnen sich viele Modehäuser noch mehr auf ihr Innerstes, ihre Historie. Dies zeigt sich auch bei der Inszenierung. Bei manchen ist der Luxuscode versteckt wie bei Céline, Akris oder Hermès. Bei Hermès funkelt die Kulisse aus Holzlammellen zart wie ein Sternenhimmel. Valentino-Designer Pierpaolo Piccioli bedient sich der Poesie, jeder Gast hat einen Gedichtband auf seinem Platz mit Zeilen von zeitgenössischen Dichtern wie:

Mit Liebesgedicht: Entwurf von Valentino für den kommenden Herbst und Winter bei der Pariser Modewoche. (Foto: Pascal Le Segretain/Getty Images)

"The people you love

become ghosts inside

of you and like this

you keep them alive."

Das Zitat von Robert Montgomery prangt auch in Leuchtschrift an einer Wand. Im Mittelpunkt der Kollektion stehen verschiedene Kussszenen, die teils an die berühmte Skulptur von Rodin erinnern. Designerin Sarah Burton lässt bei Alexander McQueen die Zuschauer auf Stoffballen Platz nehmen, um dann prachtvolle Entwürfe aus Seidentaft zu zeigen, die zu übergroßen, vollen Rosenblüten drapiert sind. Elie Saab verzaubert, indem er einfach eine erotische Abendrobe nach der anderen zeigt.

Bei anderen (Leonard, Agnès B., Lutz Huelle) sind vereinzelt auch sportive Outfits mit Kapuzenpulli zu sehen. So wird der Luxuscode aufgebrochen. Doch was ist Luxus überhaupt? Olivier Theyskens zeigt in einem historischen Gebäude mit Wandfresken eine feminine, vorwiegend in Schwarz aufgemachte Kollektion mit vielen Corsagenkleidern. Die Dramatik steht im Raum, sodass niemand auch nur einen Mucks von sich gibt. Bei Andreas Kronthaler und Vivienne Westwood schwingt der verfremdete BH lose mit.

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(Foto: Regis Duvignau/Reuters)

Alexander McQueen zeigt Rosenblütenkleider aus Seidentaft.

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(Foto: Lucas Barioulet/AFP)

Elie Saab verzaubert mit erotischen Abendroben.

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(Foto: Pascal Le Segretain/Getty Images)

Giambattista Valli zeigt ein Rüschenkleid mit bestickter Weste.

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(Foto: Katharina Wetzel)

Thom Browne spielt mit dem grauen Büroalltag, doch der Büro-Look mit Krawatte, Hemd, Weste und Mantel ist nur aufgedruckt.

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(Foto: Thierry Chesnot/Getty Images)

Bei Vivienne Westwood schwingt ein verfremdeter BH lose mit.

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(Foto: Stephane Mahe/Reuters)

Auf den Laufstegen ist viel Leder zu sehen, wie etwa bei Akris.

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(Foto: Christophe Archambault/AFP)

Hermès verwendet Lederdekorationen und Verschlüsse aus dem Reitsport.

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(Foto: Katharina Wetzel)

Talbot Runhof zeigt ein Ledertop mit Schleife.

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(Foto: Pascal Le Segretain/Getty Images)

Und bei der letzten Chanel-Show von Karl Lagerfeld sind Strickjacken und Röcke mit Norwegermuster zu sehen.

Neben viel Karo (in Schwarz-Weiß bei Chanel und im Retro-Look bei Céline) sind insgesamt viel Leder und Anleihen vom Pferdesport zu sehen. Albert Kriemler verarbeitete in vielen Details der Akris-Kollektion Rosshaar. Hermès-Designerin Nadège Vanhee-Cybulski spielt mit Verschlüssen aus dem Reitsport und Lederdekorationen, zeigt Lederoveralls sowie komplett bestickte Lederröcke. Bei Altuzarra werden Lederblazer gekonnt mit Strickärmeln kombiniert. Das Münchner Label Talbot Runhof zeigt ein Ledertop mit Schleife. Angesichts der Vielfalt an Veranstaltungen geht fast unter, dass zwei Defilees des offiziellen Kalenders kurzfristig gecancelt wurden.

Gildo Zegna lässt sich die gute Stimmung ohnehin nicht verderben. "Als sehr deutsch", empfand er die Schau von Thom Browne, die mit einem tristen, grauen Büroalltag in einem Gitterkäfig begann und dann ausbrach und mit Uniformen spielte. Ob er zufrieden ist mit den Erträgen des Labels? "Wir sind erst am Anfang", meint Zegna. Nun müsse sein Haus erst mal die Übernahme verdauen und die Marke gut integrieren. Positiv denken. Vielleicht ist das die richtige Haltung in diesen Tagen.

So hoffen einige, dass es bei der nächsten Chanel-Schau im Grand Palais einfach weitergeht im Takt. Das wünschte sich wohl auch Karl Lagerfeld, bevor er verstarb, als er über eine Illustration, die in einer Mappe auf den Plätzen lag, schrieb: "The beat goes on."

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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