Pannenserie in Atomkraftwerken:Deutschland-Chef von Vattenfall wirft hin

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Der Chef des Energiekonzerns Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, gibt nach den Pannen in Krümmel und Brunsbüttel und wegen der verfehlten Informationspolitik sein Amt auf.

Der Chef des Stromkonzerns Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, ist zurückgetreten und hat damit die Verantwortung für die Pannenserie in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel übernommen.

Seine Aufgaben übernehme vorerst Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Cramer, teilte Vattenfall am Mittwoch mit. Dies gelte, bis sich der Aufsichtsrat mit dem Rücktrittsgesuch Rauschers befasst habe.

Zu Wochenanfang hatte sich das Unternehmen schon vom Chef seiner Atom-Sparte, Bruno Thomauske, getrennt. Kanzlerin Angela Merkel nannte die Informationspolitik von Vattenfall Europe nach den Pannen "nicht akzeptabel". Dennoch halte sie die friedliche Nutzung der Atomenergie weiterhin für vertretbar. Sie wolle sich zudem auch weiterhin von Vattenfall-Konzernchef Lars Josefsson in Klimaschutzfragen beraten lassen.

Merkel kritisiert Informationspolitik

Zuvor hatte Vattenfall dringliche Forderungen aus einer Sicherheitsüberprüfung des Atomkraftwerks Brunsbüttel erfüllt. Die Atomaufsicht Schleswig-Holstein teilte mit, die fehlenden 185 Sicherheitsnachweise seien vorgelegt worden. Über 100 von ihnen seien von unabhängigen Gutachtern bereits als positiv bestätigt worden.

Gut 400 weitere Punkte - die als weniger dringlich eingestuft sind - würden geprüft. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärte unter Berufung auf Kenner der Liste, im Juni 2006 habe die Sicherheitsprüfung des Reaktors rund 165 prekäre Punkte aufgewiesen. Dabei sei es in erster Linie um fehlende Sicherheitsnachweise etwa zur Bruchfestigkeit von Leitungen sowie den Schutz vor Anschlägen gegangen.

Der Kritik an der Informationspolitik des Konzerns nach den Pannen in den zwei norddeutschen Atomreaktoren schlossen sich Merkel und Wirtschaftsminister Michael Glos an. Die Defizite, die sichtbar geworden seien, müssten schnellstmöglich beseitigt werden", forderte Merkel.

Mitleid mit dem Konzern wegen der heftigen Angriffe auf ihn könne sie nicht haben. "Unbeschadet dieser Tatsache glaube ich, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie verantwortbar ist", sagte sie aber auch. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass die Regeln und Kontrollen, die den hohen Sicherheitsmaßstab der deutschen Anlagen gewährleisteten, eingehalten würden.

Das Engagement von Vattenfall-Konzernchef Josefsson für den Klimaschutz nannte Merkel aber hilfreich, gut und vernünftig.

Deshalb wolle sie seine Beratertätigkeit für sie nicht in Frage stellen. Zum Vorschlag von Umweltminister Sigmar Gabriel, alte Kernkraftwerke früher abzuschalten und dessen Strommengen auf neue Anlagen zu übertragen, merkte sie an, Gabriel werde mit den Betreibern nun darüber sprechen. "Dann werden wir uns darüber unterhalten, was da rausgekommen ist", hielt sie sich bedeckt. Wichtig sei ihr aber: Die technischen Anforderungen an alte wie neue Kraftwerke seien die gleichen.

Neues Problem in Brunsbüttel

Auch Glos wandte sich dagegen, Atomkraftwerke nur wegen ihres Alters früher abzuschalten. Nicht das Alter einer Anlage dürfe das Kriterium für ihren Betrieb sein, sondern ihre Sicherheit, sagte er dem ZDF. "Entscheidend ist, dass jeder Meiler, der in Deutschland am Netz ist, nach Stand der Technik so sicher ist wie es Menschen möglich ist." Damit dürfe es aber auch nicht maßgebend sein, ob eine Anlage bereits abgeschrieben sei und ihr Betrieb damit dem Betreiber höhere Gewinne bringe.

Wenn immer mehr Bürger derzeit auf Ökostrom umstiegen, dann begrüße er das nachdrücklich, sagte Glos. Rasch zu ersetzen sei die Atomenergie aber nicht.

Auch die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Katherina Reiche warnte im Handelsblatt davor, ältere Atomkraftwerke "unter Generalverdacht zu stellen". Die Union trete weiter für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ein. "Es ist nicht richtig, die aktuelle Situation zu nutzen, um die Kernkraft insgesamt zu diskreditieren." Umweltminister Gabriel hatte es absurd genannt, ältere Atomanlagen wegen ihrer Gewinnträchtigkeit länger als neue laufen lassen zu wollen.

Vattenfall Europe meldete unterdessen ein weiteres Problem in Brunsbüttel: Man gehe Auffälligkeiten im Ölkreislauf eines Transformators nach. Um das Öl zu tauschen habe man die Leistung des Reaktors vorübergehend heruntergefahren, hieß es.

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