Ort mit Lebensqualität:"Bonn, das ist doch wirklich sehr speziell"

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Die ehemalige Bundeshauptstadt boomt, 13 UN-Organisationen und drei Dax-Konzerne residieren hier. Dazu hat Bonn noch eins, was keine andere Stadt hat. Es ist Geschichte pur.

Robert Lücke

Thomas Althoff kann zufrieden sein. Er nippt an seinem Cappuccino und blickt glücklich in den schönen Park von Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach.

Das alles bietet das kleine Bonn: Die Hauptverwaltung des Dax-Konzerns Deutsche Post, wie sie sich mit Sicht von der Kunst- und Ausstellungshalle (links) darstellt. (Foto: Foto: dpa)

Das Schlosshotel ist Teil seines Reiches, er besitzt viele feine Hotels, in Stuttgart, an der Cote d'Azur, und demnächst kommt noch eines hinzu - in Bonn. "Das wird etwas ganz Besonders", sagt der Kölner Althoff, "und das ausgerechnet in Bonn". Ausgerechnet.

Bis vor kurzem klaffte vor dem alten Bundestag und dem Schürmann-Bau ein Loch so groß, dass ein komplettes Stadion hineingepasst hätte. Inzwischen ist das Loch voll mit Beton, und ein Koloss wächst langsam in die Höhe, viele Bauarbeiter mit gelben Helmen laufen hin und her.

Größtes Tagungszentrum Deutschlands entsteht

Gerade entsteht hier das "World Conference Center Bonn", 2009 soll alles fertig sein. Dann können hier bis zu 5000 Personen gleichzeitig tagen, nebenan im Bundestag und im Alten Wasserwerk ist noch mal Platz für über 2000 Menschen. Es ist das größte derartige Tagungszentrum in Deutschland. Wer hätte das gedacht?

Dass Bonn nach dem Verlust von Kanzleramt, Bundesrat, Bundestag und Präsidentensitz nicht völlig in der provinziellen Bedeutungslosigkeit versinken würde, damit hat wohl keiner gerechnet, als das Parlament am 20. Juni 1991 beschloss, Berlin zum Regierungssitz und deutschen Hauptstadt zu küren.

Viele glaubten damals, Bonn werde trotz dem Verbleib zahlreicher Behörden, von sechs Ministerien und trotz zahlreicher Zugeständnisse, die die Bundespolitik der Stadt machte, eher früher als später wieder in den Dornröschenschlaf fallen, aus dem es 1949 geweckt worden war.

Man machte sich darüber lustig, dass Bonn sich plötzlich selbst als "Bundesstadt" bezeichnete, obwohl keiner so genau sagen konnte, was das eigentlich sein sollte.

Viele Gründe für den Boom

Bonn boomt, und das hat mehrere Gründe. Es liegt an den über 1,4 Milliarden Euro, die der Bund in die Stadt pumpte, den drei Unternehmen Telekom, Deutscher Post und Postbank, die zum Deutschen Aktienindex (Dax) gehören und hier ihren Hauptsitz haben - und den Vereinten Nationen.

Seit 1996 kann sich Bonn "Uno-Stadt" nennen. Im Juli 2006 übergab Bundeskanzlerin Angela Merkel dem damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan den neuen Dienstsitz. Für 55 Millionen Euro wurde das alte Abgeordnetenhochhaus, der "Lange Eugen", zum Sitz von 12 der 13 Bonner UN-Organisationen umgebaut, wichtigster Zweig ist das UN-Klimasekretariat, das ein Nebengebäude bezieht.

170 internationale Institute und Nichtregierungsorganisationen haben sich am Rhein als Folge des Ausbaus Bonns zum deutschen Uno-Standort angesiedelt, 2009 soll das Internationale Kongresszentrum Bonn auf dem UN-Campus seine Pforten öffnen.

Kongresse mit 5000 Personen möglich

Dann werden Kongresse mit bis zu 5000 Personen möglich, eine Größenordnung, die besonders für die Vereinten Nationen wichtig ist. Auf dem Gelände entsteht auch ein Tophotel mit 350 Zimmern, Grundsteinlegung war am im Mai.

Thomas Althoffs Hotelgruppe bekam den Zuschlag des US-amerikanisch-koreanischen Mischkonzerns SMI Hyundai, der 140 Millionen Euro in das Hotel- und Kongresszentrum steckt. Schon heute gibt es in Bonn im Jahr 1,1 Millionen Hotelübernachtungen, davon entfallen 300.000 auf Kongressbesucher, und wenn das neue Kongresszentrum 2009 in Betrieb genommen wird, sollen noch mal 200.000 zusätzliche Übernachtungsgäste dazukommen, sagt Hyundai-Manager Young-Ho Hong.

Experten rechneten aus, dass der Einzelhandel von 2009 an mit zusätzlich 13,5 Millionen Euro Umsatz rechnen könne.

Mischung aus Vergangenheit und Zukunft

Das Kongresszentrum wächst genau dort, wo einst das Regierungsviertel war. Der Weg dahin ist eine Mischung aus Vergangenheit und Zukunft. Die Bonner Innenstadt atmet noch ziemlich kräftig den Mief der siebziger, frühen achtziger Jahre, als Helmut Schmidt und danach Helmut Kohl Kanzler waren, und die Mauer noch, weit entfernt, in Berlin stand.

Schilder zum UN-Campus gibt es keine, und wer nicht aufpasst, landet mit dem Auto nicht bei den Vereinten Nationen, sondern in Bad Godesberg.

Angekommen am neuen Tagungsort, erschlägt fast der Postturm, ein gläsernes Ungetüm. Hier trifft neues Geld auf die alte Stadt, neben dem Postturm steht das alte Abgeordnetenhochhaus, der Lange Eugen, ihm zu Füßen der Bundestag, der Schürmann-Bau mit Blick auf den Rhein.

Die grünen Buckel des Siebengebirges

Dieses Gebäude war schon damals längst überflüssig, denn Berlin als potenzielle Hauptstadt war frei. Darin sitzt nun Man-Ki Kim, guckt auf den Rhein und die grünen Buckel des Siebengebirges dahinter und sagt: "Bonn, das ist doch wirklich sehr speziell." Kim ist der Chef von SMI Hyundai. Er glaubt an Bonn, und wie, und warum sollte er auch nicht?

Bonn wächst, statt zu schrumpfen, wie Pessimisten Anfang der neunziger Jahre prognostizierten. Das Bevölkerungswachstum hält an, seit 17 Jahren hat die Stadt kontinuierlich einen Geburtenüberschuss, Ende 2006 zählten die Statistiker knapp 314.000 Einwohner, bis 2025 erwartet man einen Zuwachs um 9,6 Prozent auf dann 341.000 Einwohner.

Das Durchschnittsalter der Bonner beträgt 40 Jahre, 51 Prozent der Einwohner verfügen über Abitur oder Fachhochschulreife, die Unternehmensumsätze stiegen von 2000 bis 2005 um 24 Prozent, mit fast 87 Milliarden Euro Umsatz ist Bonn umsatzstärker als die doppelt so große nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf und liegt in Nordrhein-Westfalen an der Spitze, die Kaufkraft fast 14 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, die Arbeitslosenquote dafür mit 7,1 Prozent - bundesweit sind es 8,4 - weit darunter.

Klänge von Beethoven

Kim lässt einen Mitarbeiter seinen Laptop anschließen, und ein Beamer zeigt einen Film über Bonn, und natürlich wird das ganze untermalt mit Klängen von Beethoven, der für Bonn mindestens so wichtig ist wie Mozart für Salzburg.

Der Film zeigt viele schöne Bilder, den Rhein, die alte Bonner Universität, das Rathaus, das Siebengebirge, den Petersberg, er zeigt Kofi Annan und Angela Merkel, Leute, die auf Fahrrädern am Rhein entlang fahren, überall fröhlich guckende Menschen.

Kim mag den Film. Er baut riesige Hotels, Shopping-Malls und Kongresszentren in den aggressiv wuchernden Boomtowns dieser Erde. In Dubai, Kuwait City, Ho Chi Minh-Stadt und natürlich in China, neuerdings auch in den ölreichen Ländern Afrikas, Angola und Nigeria.

"Jeder kennt Bonn"

Überall dort, wo die Menschen hungern nach Geld, Größe und das in glitzernde Fassaden und Wolkenkratzer gießen. Und nun in Bonn. Und warum, Herr Kim? "Egal, wo ich hinkommen, jeder kennt Bonn", sagt er.

Und Bonn sei sauber, sicher, liege mitten in Europa, der Köln-Bonner Flughafen sei sehr nah und bequem, und Frankfurts Airport mit dem ICE auch nur eine Dreiviertelstunde weg. "Und noch eins hat Bonn, das hat keine andere Stadt. Es ist Geschichte pur." Wo sonst könne man denn in einem alten Parlament tagen?

Der Teppich im Plenarsaal des Schürmann-Bau ist dreckig und ausgelatscht, erneuern darf Kim ihn nicht, er steht wie der ganze Bundestag unter Denkmalschutz.

Viele Tagungen

Wer hier tagt, darf den Bundesadler nicht verhängen, und die deutsche Fahne muss auch immer zu sehen sein. Trotzdem werden hier schon jetzt viele Tagungen abgehalten, Firmen stellen ihre Produkte vor, Aktiengesellschaften halten ihre Hauptversammlungen ab.

Wenn in gut zwei Jahren das Kongresszentrum nebenan fertig wird, ist noch mehr Platz. Es wird mehr Säle geben, Restaurants, eine große Ausstellungsfläche unter einem Glasdach, daneben das Hotel von Thomas Althoff.

Dass Kim in Bonn investiert und so viele andere Unternehmen auch, liegt neben dem guten Ruf, den Bonn offensichtlich hat, natürlich am Geld. Kim zum Beispiel bekam das Grundstück für einen Euro geschenkt, auch sonst tun die Wirtschaftsförderer vom Land und vor allem die Leute von Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) viel für die Stadt.

"Kein Selbstläufer"

Dieckmann aber weiß auch, dass Bonn "kein Selbstläufer ist. Wir müssen viel tun", sagt sie. Unternehmen bauten Arbeitsplätze ab, "ohne uns vorher zu fragen. Und sie müssen ja nicht nach Bonn kommen".

Die Sicherheit, die jahrzehntelang vom Arbeitgeber Bund für den Bonner Arbeitsmarkt ausging, sei trügerisch geworden - erst Recht, seit 2004 keine Fördermittel vom Bund mehr fließen.

Dieckmann arbeitet deswegen vor allem an den "Soft Skills", den weichen Faktoren, von denen Wirtschaftsförderer seit ein paar Jahren so gerne sprechen. "Wir können mit unserer Lage punkten. Wir sind nah an Rhein und Ruhr, haben eine gute Anbindung an Flughäfen, viel Grün ringsherum, und Brüssel ist auch nicht so weit."

Froh stimmt Bürgermeisterin Dieckmann das "Location Ranking 2006/2007". Das ist eine Studie, in der die Orte mit der besten Lebensqualität für ausländische Geschäftsleute aufgeführt sind.

Auf Platz eins

Darin steht Bonn auf Platz eins, weltweit auf Platz Fünf - vor München. Die Immobilienpreise, immer ein Indikator dafür, ob eine Stadt wächst oder verkümmert, sind nicht gesunken, sondern gestiegen, und die Leerstandsquote von Büroflächen lag im Jahr 2006 bei niedrigen 4,8 Prozent.

Das Stadtmarketing hätte es bei seiner Werbung also eigentlich gar nicht nötig, soweit auszuholen. In den Reklameschriften heißt es, schon die Römer hätten hier gesiedelt, und die wussten ja bekanntlich, wo es sich schön leben und gut arbeiten lässt.

In dem riesigen Bauloch vor dem von Kim umfunktionierten Bundestag haben die Bauarbeiter vor Monaten sogar gut erhaltene Reste eines römischen Bades gefunden. Kim sieht das als gutes Omen. Sechs Monate verhandelten Kim und Althoff danach mit den Denkmalschützern, nun dürfen sie die 2000 Jahre alten Steine ein paar Meter weiter aufbauen - in dem geplanten Hotel werden die Ausgrabungen den Wellnesstrakt verschönern.

© SZ vom 13.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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