Opel bei PSA:Willkommen in der Hölle

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Opel-Fabrik im ungarischen Szentgotthárd: Opel hat dem neuen Mutterkonzern PSA in den ersten fünf Monaten 179 Millionen Euro Verlust beschert. (Foto: Akos Stiller/Bloomberg)

Der neue Opel-Eigner PSA verlangt Opfer von den Mitarbeitern - auch in Deutschland. Die Franzosen präsentieren einen Rekordgewinn - trotz Opel.

Von Leo Klimm, Rueil-Malmaison

Carlos Tavares ist ein Mann deutlicher Worte. "Ein darwinistisches Unternehmen" solle sein PSA-Konzern sein, der neue Eigentümer von Opel. In diesen ungewissen Zeiten überlebten nur die Fittesten der Autobranche, warnt der PSA-Chef. "Ist das einfach? Nein, es ist die Hölle!" Doch an diesem Ort ewiger Verdammnis, findet Tavares, macht sich das Peugeot-Mutterunternehmen ziemlich gut: Die Bilanz 2017 sei hervorragend - "trotz Opel", wie Tavares bei Vorstellung der Ergebnisse am Donnerstag in einem Pariser Vorort ausdrücklich vermerkt. Vor ihm in der ersten Reihe sitzt Michael Lohscheller, der neue Opel-Chef, und nagt mal auf einem Kaufgummi, mal an seinen Fingerkuppen. Willkommen in der Hölle.

Es ist die erste PSA-Bilanz seitdem Opel von General Motors (GM) an die Franzosen weitergereicht wurde. Und es ist die erste Gelegenheit zu prüfen, ob es nach den Milliardenverlusten unter GM jetzt unter PSA vorangeht mit der Sanierung von Opel. Tavares und Lohscheller versichern am Donnerstag: ja, es geht voran. Auch wenn das in der Bilanz nicht unbedingt zu erkennen ist.

In den ersten fünf Monaten bei PSA schrieb Opel einen operativen Verlust von 179 Millionen Euro. Das ist pro Monat gerechnet viel mehr als noch 2016 bei GM. Lohscheller räumt denn auch ein, das Minus sei "ein weiteres Signal, dass es so nicht weitergehen kann". Dieser ruhige Westfale mag nicht zu so drastischen Worten wie sein Boss neigen. Seine Botschaft vor allem an die Mitarbeiter am Heimatstandort Deutschland ist trotzdem klar: Sie sollen Zugeständnisse machen.

Denn auf die Frage, wie gut Lohscheller und Tavares vorankommen mit der Opel-Rettung, gibt es unterschiedliche Antworten - je nachdem, wo man hinsieht: In einem Werk der britischen Opel-Schwestermarke Vauxhall müssen 650 Mitarbeiter gehen. In Spanien nehmen Arbeiter Einschnitte hin und sichern sich so die Produktion des Opel Corsa. Weitere Fabriken in Europa bringen Opfer. Auch diesen Hinweis verkneift sich Tavares nicht. Er bringt die deutschen Mitarbeiter unter Druck.

Die Verhandlungen zwischen Firmenführung und Arbeitnehmervertretern zur Sicherung der Standorte Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern, wo insgesamt etwa 19 000 Opelaner arbeiten, verlaufen offensichtlich zäh. Der Ton wird rauer. "Der einzige, der nicht geliefert hat, ist das Unternehmen", sagt Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug. Ende 2018 laufen Beschäftigungsgarantien aus. In dieser Woche kam es auch noch zum Abgang von Personalchef Ulrich Schumacher - aus persönlichen Gründen, so Opel.

Tavares, der Effizienz-Teufel, pocht darauf, die Arbeitskosten zu drücken. Anders lässt sich sein Ziel wohl kaum erreichen, Opel ohne Massenentlassungen in Deutschland binnen zwei Jahren in die Gewinnzone zu führen. Wieder und wieder kommt er auf eine Kennziffer zu sprechen: 15,3 Prozent vom Umsatz beträgt die Lohsumme bei Opel. Bei PSA, wo es 2014 noch 14,5 Prozent waren, beträgt dieser Wert 10,3 Prozent. Die Produktion bei Opel sei doppelt so teuer wie im Gesamtkonzern.

Opel nimmt China und andere Märkte außerhalb Europas in den Blick

Lohscheller widerspricht dem Eindruck, dass die Verhandlungen stocken. "Wir machen das sorgfältig", sagt er und verweist auf eine Senkung der Fixkosten um 17 Prozent seit der PSA-Übernahme, etwa bei den IT-Ausgaben. Seit Jahresanfang gilt Kurzarbeit für viele Beschäftigte am Stammsitz Rüsselsheim. Angebote zum Vorruhestand, die eine erste Rahmenvereinbarung aus dem Dezember ermöglicht, würden gut angenommen, so Lohscheller. Doch das reicht ihm und Tavares nicht. "Die deutschen Werke müssen bei den Personalkosten erst wettbewerbsfähig sein" - dann bekommen sie neue Arbeit.

So ähnlich sehen das auch PSA-Gewerkschafter. "Es wäre ungerecht, den deutschen Beschäftigten keine Opfer abzuverlangen", sagt ein französischer Gewerkschafter anonym. Bei PSA werden jedes Jahr Tausende Stellen gestrichen. Auch so hat Tavares den Hersteller von Peugeot und Citroën seit 2014 von der Beinahe-Pleite zu Milliardenprofiten geführt. Für 2017 präsentiert er stolz eine Rekord-Gewinnmarge von 7,3 Prozent - "trotz Opel". Den operativen Gewinn steigerte PSA um ein Viertel auf 3,9 Milliarden Euro, bei einem Umsatz von 65,2 Milliarden Euro. Opel erlöste 7,2 Milliarden Euro.

Auch PSA hat Schwächen. Das Geschäft im wichtigen chinesischen Markt entwickelt sich schlecht für die Franzosen, der Absatz sackt ab. Tavares steuert zwar gegen. Lohscheller aber wittert genau hier die Chance für die deutsche Marke Opel. Er nimmt China und andere Märkte außerhalb Europas in den Blick. Tavares lässt es zu, ausdrücklich. Das war unter GM anders. "Es ist sehr dynamisch, jeden Tag tut sich was", lobt Tavares. Das soll heißen: Es geht voran bei Opel. Und die Hölle kann ein freundlicher Ort sein.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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