Olympia 2012:Der britische Weg

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Die Olympischen Sommerspiele in London werden für den Steuerzahler preiswert - behaupten die Organisatoren. Und machen schon mal ganz viel Werbung.

Gerd Zitzelsberger

Noch 2210 Tage sind es bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London. Doch die erste Investition ist schon in Betrieb. Es sind drei übergroße Flachbildschirme für Werbefilme. Britische Manager und Politiker denken anders als deutsche: Aller Anfang ist das Marketing, heißt ihre Devise.

London rüstet sich für 2012 (Foto: Foto: ddp)

Sie wollen zeigen, dass der "British way of management" am effizientesten ist. Es sollen zum einen "die besten Spiele aller Zeiten" werden, wie Sebastian Coe, Aufsichtsratsvorsitzender des Organisationskomitees, verspricht. Zum anderen sollen es sehr preiswerte Spiele für den Steuerzahler werden, wie einer seiner Mitarbeiter später leise hinzusetzt.

Den Bau der Stadien, der Unterkünfte für die Athleten und der Straßen kriegt man schon hin, glaubt das Organisationskomitee; wichtig sei erst einmal das Vermarkten.

Bevölkerung begeistern

Das bedeutet zum einen, die Bevölkerung für Olympia zu begeistern. Schließlich braucht das Organisationskomitee viele Freiwillige und nicht zuletzt Einnahmen aus einer Olympia-Lotterie.

Zum anderen geht es bei der Marketing-Aktion darum, nationale Sponsoren zu gewinnen. Diese beiden Marketing-Aktivitäten jedenfalls nennt Coe als erstes, wenn er die derzeitige Arbeit des Komitees beschreibt.

Entsprechend unterschiedlich tobt das Geschäft in No. 1 Churchill Place. Dort, in Canary Wharf, Londons zweiter Finanzmeile, hat das Organisationskomitee sein Hauptquartier.

Auf der einen Seite des Flurs, bei den Sachbearbeitern im Großraumbüro, geht es entspannt zu. In ein, zwei Jahren werden dort die Angestellten so dicht gedrängt wie die Händler der Banken vor den Bildschirmen sitzen. Heute ist erst jeder dritte Stuhl besetzt, und die Mitarbeiter plaudern und scherzen miteinander.

Auf der anderen Seite des Flurs liegen die Besprechungszimmer. Um die Mittagszeit herum findet man keinen freien Raum mehr, und die Mienen hinter den Glaswänden wirken konzentriert.

Verhandlungspartner sind vor allem britische Firmen. "Unser Glück ist, dass London eine reiche Stadt ist", sagt Coes Pressesprecherin. Soll heißen, die Großunternehmen verdienen gut, und damit werden sie für ihre Präsenz bei den Olympischen Spielen auch tief in die Tasche greifen.

Olympia-Gesetz

Entscheidend ist das, weil die Regierung zwar mit großen Worten nicht geizt. Innerhalb von nur drei Wochen hat sie nach der Entscheidung für London vor einem Jahr auch das Olympia-Gesetz durch das Parlament gebracht. Aber ihre Taschen hält die Regierung zu: Das olympische Dorf für die 15.000 Athleten, eine Investition von 2,2 Milliarden Euro, wird ein australischer Konzern finanzieren; er darf es hinterher dafür parzellenweise verkaufen.

Die neuen Stadien und sonstigen Anlagen - zusammen 3,5 Milliarden Euro - sollen zum größten Teil mit Lotteriegeldern hochgezogen werden; weitere 900 Millionen Euro müssen die Londoner über höhere Gemeindesteuern aufbringen, und 400 Millionen Euro schießt die Wirtschaftsförderungsgesellschaft zu.

Dazu kommen die Kosten des Organisationskomitees mit nochmals drei Milliarden Euro. Der Steuerzahler berappt dafür allerdings keinen Heller, wenn es nach Plan geht: Eintrittskarten, Fanartikel, der britische Anteil an den Fernsehrechten und vor allem Sponsoren sollen diese Kosten decken. Die britische Diskussion dreht sich derzeit vor allem darum, ob das Geld reicht.

Westend ohne Glamour

Von zusätzlichen zwei Milliarden Euro für die Revitalisierung des Gebietes rund um den künftigen Olympia-Park ist die Rede. Tatsächlich war ein Grund für die Olympia-Bewerbung, dass Stadtverwaltung und Regierung Londons Osten in großem Umkreis um den Bahnhof Stratford herum attraktiver machen möchten.

Derzeit beherrschen dort über weite Strecken Industriebrache und billige Sozialwohnungen das Bild. Die Arbeitslosigkeit liegt weit höher als im Landesdurchschnitt, und vom Glamour des Londoner Westend gibt es keine Spur.

In dieser Gegend muss Sebastian Coe keine Werbung mehr für die Spiele machen: Die Hauspreise dort sind seit der Olympia-Entscheidung bereits um 20 Prozent gestiegen, selbst verseuchtes Brachland ist plötzlich etwas wert.

Und die ersten jungen Banker suchen Wohnungen nahe dem Bahnhof Stratford: Von dort wird man künftig schnell in der Innenstadt sein und in nur 75 Minuten mit dem Eurostar den Kontinent erreichen - schneller als manche Viertel im Londoner Westend. Das französische Lille wird praktisch zum Vorort Londons.

Neue Hochgeschwindigkeitsbahn

Erst einmal aber sind die Erwartungen für die Spiele etwas zurückgestutzt worden: Der Olympia-Park wird ein bisschen kleiner ausfallen als ursprünglich geplant. Die "Crossrail", eine komplett neue Ost-West-Eisenbahn für 15 Milliarden Euro mitten unter London hindurch, wird nicht gebaut - jedenfalls nicht bis 2012.

Beim Transport, dem heikelsten Punkt, setzt man stattdessen auf ein Milliarden-Projekt, das bereits zu einem guten Teil fertig ist: Die neue Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen dem zentralen Bahnhof Kings Cross und dem Olympiagelände und von dort weiter zum Ärmelkanal.

Außerdem, so beruhigt man sich wechselseitig in London, seien 500.000 Olympia-Besucher pro Tag kein Problem: Urlaubsbedingt hätten Busse und U-Bahnen doch weniger normale Fahrgäste. Doch London wächst. Schon jetzt schaffen Bahnen und Busse es in den Stoßzeiten oft nicht, alle Fahrgäste mitzunehmen. Das Transportproblem werden all die Marketing-Künste des Organisationskomitees nicht lösen.

© SZ vom 7.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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