Offene Rechnungen:Warum Lieferanten derzeit warten müssen

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Das Bundesfinanzministerium hat die rechtlichen Bedingungen für das Ausfüllen von Rechnungen auf eine Weise konkretisiert, die die Wirtschaft für weltfremd hält — und denen viele Unternehmen offenbar nicht Folge leisten wollen.

Von Marc Beise

In den Regierungsstuben der Hauptstadt Berlin ist sommerferienbedingt Ruhe eingekehrt. Auch im Bundesfinanzministerium (BMF) ist es schwer, kurzfristig fachlichen Rat zu erhalten.

Für die deutsche Wirtschaft ist das umso misslicher, als sie durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums stark verunsichert worden ist.

Lieferanten in der Bredouille

Dort haben die Bundesbeamten die rechtlichen Bedingungen für das Ausfüllen von Rechnungen auf eine Art und Weise konkretisiert, die die Wirtschaft für weltfremd hält — und denen viele Unternehmen offenbar nicht Folge leisten wollen.

Entsprechend bezahlen derzeit insbesondere große Einzelhandels-unternehmen die Rechnungen der Lieferanten nicht mehr — was wiederum diese in die Bredouille bringt.

Kern des Anstoßes ist eine Regelung im Umsatzsteuergesetz, konkret der Paragraf 14, der immer wieder Anlass für Aufregung ist. In Absatz 4 Nummer 7 der Vorschrift geht es (in Umsetzung einer EU-Richtlinie) um die Angaben, die auf einer Rechnung enthalten sein müssen.

Fehlende Bereitschaft

Die etwas unklare Gesetzesformulierung wiederum hat das BMF in einem Schreiben vom 10. Juni an einige Spitzenverbände so ausgelegt, dass außer dem Entgelt und dem darauf entfallenden Steuerbetrag auch konkrete Angaben zu besonderen Zahlungsbedingungen enthalten sein müssen.

Wenn also zwischen Lieferant und Warenhaus Rabatte, Skonti oder Boni verabredet sind, reicht danach in der Rechnung nicht mehr der allgemeine Hinweis auf "unsere gemeinsamen Zahlungs-vereinbarungen", sondern es müssen jeweils Name und Datum der Vereinbarungen genannt werden.

Diese Vorgabe zu erfüllen sehen sich aber viele Unternehmen weder in der Lage, noch sind sie dazu bereit.

Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) spricht von einem "Dschungel an Regelungen", die im Einzelnen kaum dargestellt werden können.

Vielzahl zusammenwirkender Vereinbarungen

Gerade bei Abnehmern mit gemischten Zentral-/Franchise-Filialsystemen und bei klassischen Einkaufsverbänden kommt es zu einer Vielzahl zusammenwirkender Vereinbarungen.

Sehr gängig sind so genannte Regional- und Hausvereinbarungen, ferner artikelbezogene Sonder- und Aktionsvereinbarungen für bestimmte Zeiträume und vieles andere mehr.

Schon rein technisch sei es kaum möglich, die "richtigen" Sonder-konditionen in die entsprechenden Rechnungen einzulesen. Auch besteht wenig Neigung, das ausgeklügelte Rabattsystem öffentlich und damit für die Konkurrenz nachvollziehbar zu machen.

Entsprechend groß sei die Aufregung nicht nur in seiner Branche, berichtet Pellengahr. "In unseren Fachverbänden steht das Telefon nicht mehr still." Immer mehr Unternehmen weigern sich demnach derzeit, die Rechnungen ihrer Lieferanten zu bezahlen.

Keine breite Zahlungsverweigerung

"Sie können gar nicht anders," verteidigt Pellengahr dieses Vorgehen, "weil sie damit rechnen müssen, die gezahlte Mehrwertsteuer nicht mehr vom Finanzamt erstattet zu bekommen."

Von einer breiten Zahlungsverweigerung, wie sie von den Verbänden behauptet wird, kann aber offenbar noch nicht die Rede sein. Von der SZ befragte Mittelständler wussten von der Problematik nicht oder zahlen dennoch brav weiter.

"Wie lange wollen die Verweigerer ihren Protest denn aufrecht-erhalten?", fragte ein Steuerexperte. Das Thema werde relevant bei der nächsten Betriebsprüfung in vier Jahren. "Wollen die Unternehmen ihre Rechnungen so lange nicht bezahlen?"

© SZ vom 21. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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