Oetker:Pudding statt Pötte

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Das Familienunternehmen verkauft nach mehr als 80 Jahren seine Reederei. Dass sich der zerstrittene Clan auf einen Verkauf der Hamburg Süd einigen konnte, muss ein Kraftakt gewesen sein.

Von Elisabeth Dostert, München

Containerschiffe gehörten zur Familie wie Pudding, Pizza, Bier und Torten. Doch damit ist nun Schluss. Nach mehr als 80 Jahren trennt sich das Bielefelder Familienunternehmen Oetker vom Geschäftsfeld Schifffahrt und verkauft die Reederei Hamburg Süd mit allen Aktivitäten und Tochtergesellschaften an den dänischen Weltmarktführer Maersk. Das teilten beide Unternehmen am Donnerstag mit. Der Kaufvertrag solle in den nächsten Wochen ausgehandelt werden. Zum Preis äußert sich keine Seite. In einem Bericht des Branchendienstes World Maritime News wird über einen Preis von fünf Milliarden Dollar spekuliert. Oetker und Maersk gehen davon aus, dass die Übernahme "frühestens Ende 2017" wirksam werden kann. Über den Verkauf war seit Tagen spekuliert worden.

Für den Familienkonzern ist es ein gravierender Einschnitt. Mit dem Verkauf gibt er fast die Hälfte seiner Erlöse von gut zwölf Milliarden Euro ab. Es bleiben die in den vergangenen Jahren durch Zukäufe gestärkten Geschäftsbereiche Nahrungsmittel, Bier, Erfrischungsgetränke, Sekt, Wein und Spirituosen, die Lampe Bank und einige Luxushotels. Zu Oetker gehören auch Marken wie Coppenrath & Wiese, Radeberger, Jever, Ur-Krostitzer, Selters, Bionade, Henkell oder Pott-Rum.

Hamburg Süd ist mit 6000 Beschäftigten, 130 Containerschiffen und einer Stellplatzkapazität von 625 000 TEU die siebtgrößte Reederei der Welt. TEU steht für Standardcontainer; ein Container ist gut sechs Meter lang, rund 2,4 Meter breit und fast 2,6 Meter hoch. Hamburg Süd bedient vor allem Nord-Süd-Routen, das machte das Unternehmen so interessant für die dänische A.P. Moller-Maersk-Gruppe, die ihre Schifffahrt unter dem Dach von Maersk Line mit fast 30 000 Mitarbeitern führt. Für sie sind weltweit 611 Containerschiffe unterwegs mit einer Kapazität von gut drei Millionen TEU. Durch die Übernahme steigt der Marktanteil von Maersk gemessen an den globalen Kapazitäten um etwa drei Prozentpunkte auf 18,6 Prozent.

Acht Kinder aus drei Ehen: Der Clan ist zerstritten, jede Entscheidung ist ein Kraftakt

Die globale Containerschifffahrt ist im Umbruch. Sie häufe bei steigenden Überkapazitäten seit Jahren hohe Verluste auf, begründet Oetker die Trennung, ohne sich zur Ertragslage der eigenen Reederei explizit zu äußern. Seit 2007 stehen die Frachtraten unter Druck. Der Seetransport eines Flachbildschirms von Asien nach Europa kostet zwei Dollar, die Lieferung eines Paar Schuhe elf Cent, ein T-Shirt vier Cent, schreibt Maersk auf seiner Internetseite. Schon im September, nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt, hatte Vorstandschef Søren Skou angekündigt, man werde keine neuen Schiffe mehr kaufen, sondern wolle durch Übernahmen wachsen.

Um durch Zukäufe wieder an die Weltspitze aufzuschließen, hätte sich Oetker verschulden müssen. Das ist Familienclans wie diesem ein Greuel. Der Risikoausgleich in der Gruppe würde dadurch "empfindlich gestört", heißt es. Die Familie verschweigt zwar ausdauernd, wie viel der Konzern verdient, prahlt aber gerne als Beleg der Solidität mit der Eigenkapitalquote von etwa 40 Prozent. Der Versuch, den Hamburger Wettbewerber Hapag-Lloyd zu übernehmen, war 2013 an Querelen innerhalb des Clans gescheitert. Mit dem Verkauf der Reederei an Maersk schafft die Familie nun ein heikles Thema aus der Welt.

Andere Punkte sind auch nach der Gesellschafterversammlung und der außerordentlichen Sitzung des Beirats am vergangenen Dienstag noch nicht geklärt. Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Nachfolge des Beiratsvorsitzenden August Oetker, 72, und die seines Bruders Richard Oetker, 65, der zum Ende des Jahres aus Altersgründen die Leitung des Konzerns abgeben muss. Der Gesellschaftervertrag sieht angeblich vor, dass "mindestens ein Oetker" in der Konzernleitung sitzt, wenn er die nötige Qualifikation hat. Als ein Kandidat für Richards Nachfolge gilt sein Halbbruder Carl-Ferdinand Oetker, 44. Er war von Anfang 2009 bis Mitte 2015 Generalbevollmächtigter des Bankhaus Lampe. Ende August wurde er überraschend zum Vorsitzenden des Aufsichtsrate des Arzneimittelherstellers Stada gewählt. Unter den Kindern und Enkeln des 2007 verstorbenen Patriarchen Rudolf-August Oetker gibt es aber noch mehr Kandidaten für die offenen Stellen im Konzern. Allein August Oetker hat sechs Kinder aus mehreren Ehen.

Der Vater Rudolf-August Oetker hinterließ den acht Kindern aus seinen drei Ehen die Firma zu gleichen Teilen und legte damit den Grundstock für die späteren Streitigkeiten. Der Riss verläuft zwischen den Sprösslingen aus der ersten und zweiten Ehe und jenen der dritten. Dass sie sich auf einen Verkauf der Hamburg Süd einigen konnten, muss ein Kraftakt gewesen sein. Die noch offenen Personalien dürften ein Thema auf der nächsten ordentlichen Sitzung des Beirats am 12. Dezember sein. Noch spannender dürfte die Frage werden, was der Clan mit den Milliarden aus dem Verkauf macht. Aber dazu äußern sich die Oetkers nicht.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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