Notfallbehandlung:Allianz hat Krach mit Kinderärzten

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(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Mediziner greifen die Allianz an. Anlass ist ein Notfall-Service für privat versicherte Kinder. Denn der könnte mehr Probleme schaffen als er löst.

Von Ilse Schlingensiepen, Köln

Statt mit dem kranken Kind nachts oder am Wochenende in überfüllten Notfallambulanzen oder Praxen zu warten, einfach den Dienstleister Medlane anrufen - und schon kommt ein Kinderarzt zum Hausbesuch. Das klingt für viele Eltern verlockend. Die Allianz Private Krankenversicherung (APKV) führt das Angebot mit dem Namen "Kinderärzte on the Road" gerade für privat versicherte Kinder ein. Damit hat sich der Versicherer den Zorn des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte zugezogen.

Die APKV testet das neue Angebot zunächst in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München. Die privaten Krankenversicherer haben es schwer, neue Kunden für ihre Vollversicherung zu finden. Deshalb zeigen sie sich gern als Ansprechpartner in allen Gesundheitsfragen. Sie bieten Unterstützung an bei chronischen Erkrankungen, bei der Suche nach einem Arzt oder bei Terminen beim Facharzt.

Dazu gehört auch das Kinderärzte-Projekt. Die Allianz reagiert damit auf die Tatsache, dass die Versorgung durch einen Kinderarzt nachts und am Wochenende oft schwierig ist und die Notfallambulanzen in Krankenhäusern oft überfüllt sind.

Doch das sei der falsche Weg, kritisiert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. "Der kinderärztliche Hausbesuchsnotdienst ist ein Angriff auf das Recht aller Kinder auf bestmögliche medizinische Versorgung, eine 'Rosinenpickerei', die wir für moralisch höchst fragwürdig halten", empört sich der Präsident Thomas Fischbach, Kinderarzt in Solingen. "Gesundheit ist ein nicht-materielles Gut und keine Ware, die nur Kindern wohlhabender Eltern in für private Versicherer lukrativen Regionen zusteht."

Es gebe in Deutschland zu wenige Kinder- und Jugendärzte, deshalb seien Notfallambulanzen überfüllt. Aber wenn die Allianz Kinderärzte gezielt zu Privatversicherten auf Hausbesuch schickt, wird sich das Problem verschärfen, glaubt Fischbach. Zu Hause könnten die Mediziner viel weniger Kinder versorgen als in einer Ambulanz. Je mehr Kinder- und Jugendärzte Hausbesuche machen, desto mehr fehlen sie an anderer Stelle, argumentiert er. "Das Allianz-Modell höhlt Solidarität und Gemeinsinn aus." Es sei auch medizinisch bedenklich. Denn beim Hausbesuch fehlen viele Diagnosemöglichkeiten.

Die APKV - in deren Vorstand auch der frühere Gesundheitsminister Daniel Bahr sitzt - kann die Aufregung nicht verstehen. Jeder privat Vollversicherte habe bereits jetzt das Recht, Hausbesuche in Anspruch zu nehmen, heißt es in einer Stellungnahme. "Wie wir festgestellt haben, ist es aber gerade nachts und am Wochenende für Eltern nicht immer einfach, den Hausbesuch eines Bereitschaftsarztes mit kinderärztlicher Spezialisierung zu organisieren." Hier wolle die APKV ansetzen.

Der Vorstoß des Versicherers könnte auch politische Folgen haben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bringt gerade eine Reihe von Gesetzesvorhaben auf den Weg, um die Gleichbehandlung von gesetzlich und privat Versicherten zu fördern und so der Forderung von SPD und Grünen nach einer einheitlichen Bürgerversicherung die Spitze zu nehmen. In der Lage sei das Vorgehen der Allianz instinktlos, kritisiert der Kinderarzt Fischbach. "Es ist das falsche Signal."

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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