Nordrhein-Westfalen:Der große Wohnungsausverkauf

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Die Landesregierung in Düsseldorf will knapp 100.000 Mietwohnungen verkaufen. Internationale Investoren bekundeten bereits Interesse.

Johannes Nitschmann und Simone Gröneweg

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ihre Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) privatisieren und dabei ungefähr 96.000 Mietwohnungen abgeben. Fast 350.000 Mieter sind von diesen Plänen betroffen. Damit würde erneut ein großes Wohnungspaket in Deutschland verkauft werden.

Ein Trend, gegen den sich vor allem Mieterschützer stemmen. Noch acht Prozent des deutschen Wohnungsmarktes sind in öffentlicher Hand. Angesichts der leeren Kassen wollen aber immer mehr Länder und Kommunen ihre Bestände abgeben - zumal das Interesse ausländischer Investoren sehr groß ist. Die Preise in Deutschland gelten im internationalen Vergleich als niedrig.

Als potenzielle Käufer der LEG-Wohnungen gelten die Deutsche Annington und die börsennotierte Gagfah, die bereits Interesse an den Wohnungen bekundete. Der Gagfah-Eigentümer Fortress hatte der Stadt Dresden erst im März ihren kompletten Bestand von 48000 Wohnungen für 1,7 Milliarden Euro abgekauft. Experten schätzen, dass die LEG drei bis vier Milliarden Euro wert ist.

Strenge Auflagen für den Käufer

Mit einem Anteil von 68,1 Prozent ist das Land Nordrhein-Westfalen Mehrheitsgesellschafter der LEG. Die restlichen Anteile werden im Wesentlichen von der NRW Bank (22,2 Prozent) sowie anderen Wohnungsunternehmen und Versicherungen gehalten.

Der Verkauf der Landesanteile soll durch ein europaweites Ausschreibungsverfahren erfolgen, was Helmut Lierhaus vom Mieterforum Ruhr kritisiert. ,,So werden Gesellschaften mitbieten, die keinerlei Erfahrung mit Mietwohnungen haben.'' Und solch einen Käufer sollte man vermeiden.

Der Käufer der LEG-Wohnungen muss allerdings viele Auflagen erfüllen. So sollen an den Verkauf zum Schutz der Mieter hohe Sozialstandards gekoppelt werden.

Dazu zählen in den nächsten zehn Jahren eine Begrenzung von Mieterhöhungen, ein Verzicht auf Luxussanierungen sowie ein lebenslanges Wohnrecht für LEG-Mieter, die älter als 60 Jahre sind. Laut Eckpunktepapier des Landeskabinetts müssen die neuen Investoren bei den LEG-Wohnungen Instandhaltungen in Höhe von mindestens 12,50 Euro pro Quadratmeter vornehmen. Zugleich dürfen von dem neuen Erwerber in den nächsten zehn Jahren pro Jahr lediglich 2,5 Prozent des Bestandes, also nicht mehr als 2390 Wohnungen, veräußert werden.

Dies seien ,,die höchsten Sozialstandards'', die bei vergleichbaren Transaktionen in Deutschlands jemals vorgegeben worden seien, erklärte Bauminister Oliver Wittke (CDU) nach der Kabinettssitzung. Damit werde sichergestellt, ,,dass der Erwerb der LEG-Wohnungen nur für Investoren interessant ist, die sich langfristig engagieren wollen''.

Auch für die 988 LEG-Mitarbeiter will man sich offenbar einsetzen. So sollen dem Käufer für den Zeitraum von zehn Jahren betriebsbedingte Kündigungen verwehrt werden. Zugleich ist der Erwerber an die Fortführung bestehender Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gebunden. Der Verkauf von Gesellschaftsanteilen soll streng reglementiert werden.

Vor der Privatisierung der LEG soll der Unternehmensbereich Public Services, der für die Stadtentwicklung und die Betreuung des landeseigenen Grundstücksfonds zuständig ist, aus dem Wohnungskonzern heraus gelöst werden. Diese Geschäftsfelder sollten aus strukturpolitischen Gründen beim Land verbleiben, hieß es.

Experten schätzen, dass das Interesse an dem LEG-Paket trotz der Auflagen groß ist. Deutsche Immobilien sind derzeit sehr gefragt. Selbst bei Gewerbeimmobilien greifen die ausländischen Gesellschaften verstärkt zu. Fantasie in den Markt bringt vor allem die mögliche Einführung der so genannten Reits Anfang des nächsten Jahres. Diese steuervergünstigten Immobiliengesellschaften sollen noch mehr ausländisches Geld auf den deutschen Immobilienmarkt locken.

Derzeit streiten Finanzleute und Politiker aber darüber, ob auch Wohnungen als Reits an die Börse sollen oder nicht. Mieterschützer Lierhaus warnt davor: ,,Die Einführung der Reits kurbelt das Geschäft mit den Wohnungen zusätzlich an.'' Die wirklich schwachen Mieter hätten das Nachsehen. Die Probleme würden vor allem mittel- und langfristig auftauchen. Die Bedenken gelten aber generell. Auch der mögliche Verkauf der LEG-Wohnungen ist umstritten - unabhängig davon, ob eine solche Gesellschaft später einmal an die Börse geht oder nicht.

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