Nokia verlangt von Siemens Aufschub:"Das kann der Konkurrenz nur helfen"

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Die Verzögerung beim Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks bringt Siemens unter Druck. Denn die konkurrierenden Netzausrüster profitieren von dem Aufschub.

Thorsten Riedl

Nicht viel mehr als 250 Worte umfasst die Pressemeldung von Nokia. Der Netzausrüster Nokia Siemens Networks, ein Gemeinschaftsunternehmen des finnischen Handyherstellers Nokia und des deutschen Technologiekonzerns Siemens, starte sein Geschäft später als geplant, heißt es in der knappen Mitteilung.

Die größten Anbieter der Kommunikationsbranche nach Umsätzen. Bitte auf die Lupe klicken. (Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Das Management von Nokia reagiert damit auf den Korruptionsskandal bei Siemens. Besonders die Telekommunikationssparte Com ist nach bisherigem Ermittlungsstand darin verwickelt - der Geschäftsbereich, der mit der Netzsparte von Nokia verschmolzen werden soll.

Sowohl die Aktionäre von Siemens als auch die von Nokia ließ die Nachricht kühl: Beide Papiere reagierten kaum.

60.000 Mitarbeiter betroffen

Ende Juni hatten Nokia und Siemens angekündigt, dass sie ihre Netzbereiche mit 60.000 Mitarbeitern in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammenlegen wollen.

Doch seit einigen Wochen schon machen die Vorwürfe um Bestechung und schwarze Kassen beim Siemens-Konzern Schlagzeilen. Das finnische Partnerunternehmen tritt daher auf die Bremse. ,,Nokia will wie wir, dass das Joint Venture unbelastet an den Start geht'', sagte eine Siemens-Sprecherin.

Sowohl die europäischen als auch die nordamerikanischen Behörden hätten den Zusammenschluss der Netzbereiche von Nokia und Siemens genehmigt, hieß es.

Bevor Nokia Siemens Networks jedoch das operative Geschäft aufnehme, wolle Nokia die Aufklärungsarbeit bei Siemens begleiten, erklären die Finnen.

In den nordischen Ländern verpönt

Bestechlichkeit ist in den nordischen Ländern verpönt. Finnland gilt nach einer Untersuchung der Organisation Transparency International schon seit geraumer Zeit als das am wenigsten korrupte Land der Erde. Auf den weiteren Plätzen folgen Island, Neuseeland und Dänemark.

Auch der Siemens-Konzern besitzt eine Mitgliedschaft bei Transparency International, die wegen früherer Schmiergeldvorwürfe in Italien allerdings bereits seit zwei Jahren ruht.

Erst vor wenigen Tagen hatte der Anti-Korruptions-Verein Siemens wegen des Ausmaßes der Bestechungsvorwürfe mit Ausschluss gedroht.

Mit Nokia Siemens Networks wollen die beiden Konzerne in ihren Netzbereichen bis zu 1,5 Milliarden Euro sparen, hatten sie im Sommer angekündigt. Rechnerisch hätte das fusionierte Unternehmen einen Umsatz von 15,8 Milliarden Euro.

Simon Beresford-Wylie ist der designierte Chef des geplanten Gemeinschaftsunternehmens Nokia Siemens Networks (Foto: Foto: Reuters)

Die Verzögerung beim geplanten Gemeinschaftsunternehmen trifft Nokia und Siemens in einer schwierigen Marktphase - denn die Wettbewerber stehen bereit.

Ericsson hat Marconi schon integriert

Schon im Herbst 2005 hatte Ericsson die Übernahme des Rivalen Marconi für 1,8 Milliarden bekannt gegeben. Die Integration ist inzwischen abgeschlossen. Im April schloss sich der französische Konzern Alcatel mit dem US-Unternehmen Lucent zusammen.

Alcatel-Lucent hat zum 1. Dezember seine Tätigkeit aufgenommen - obschon die beiden Konzerne mit den unterschiedlichen Firmenkulturen noch einiges an Aufräumarbeit zu leisten haben.

Die Netzausrüster, die für die Infrastruktur bei Telefon- und Mobilfunkgesellschaften sorgen, reagieren mit ihren Zusammenschlüssen auf den wichtigsten Trend in der Kommunikationsindustrie derzeit: das Verschmelzen des klassischen Festnetzanschlusses mit dem Mobiltelefon.

Bündeltarife bei den Kunden

So bieten in Deutschland beispielsweise bereits die Deutsche Telekom oder der Mobilfunker O2 Bündelangebote, bei denen der Kunde Festnetztelefon, Handy und schnellen DSL-Internetanschluss von nur noch einem Anbieter bezieht. Ähnliches planen auch Vodafone und die Tochter Arcor sowie E-Plus.

,,Es wäre gut für Nokia Siemens Networks, wenn das Unternehmen möglichst schnell mit der Integration seiner beiden Geschäfte loslegen könnte'', sagt Martin Gutberlet, Telekommunikationsexperte beim Marktforschungsinstitut Gartner.

Ericsson mit Marconi profitiere am stärksten von den Verzögerungen bei dem finnisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmen. Auch Branchenfachmann Dan Bieler von Ovum erklärt: ,,Wenn sich der Zusammenschluss weiter hinauszögert, kann das nur der Konkurrenz helfen.''

Die Sorge der Einkäufer

Einkäufer bei Kommunikationsunternehmen würden die Entwicklungen bei Siemens mit Sorge betrachten. Dies schwäche die Position des deutschen Konzerns. Bieler: ,,Ich kann mir vorstellen, dass Nokia jetzt mehr Zugeständnisse von Siemens erwarten wird - in welcher Form auch immer.''

© SZ vom 16.12.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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